Film

Auf einmal waren es Filmgeschichten

Screening
Duisburger Filmwoche 3
1979

Diskussion
Protokoll: Regine Halter

Protokoll

Die Veranstaltungen des Tages standen unter dem Thema „Bilder von Einzelpersonen“

Die anwesenden Filmemacher weisen daraufhin, daß der aus drei Teilen bestehende Film als Kollektivarbeit an der Berliner im zweiten Studienjahr unter Anleitung der Dozentin Gisela Tuchtenhagen entstanden sei. Jede aus der Gruppe habe einmal durchgängig Kamera beziehungsweise Ton gemacht und jede Einzelne habe sich beim Schnitt für einen Abschnitt verantwortlich gefühlt . Der Vorschlag aus dem Publikum, die Filmemacherinnen sollten sich zu Beginn selbst zu ihren Zielen, ihrer Einschätzung und ihren möglichen Versäumnissen äußern, wurde zurückgewiesen: die Filmemacherinnen wollten lieber auf kritische Fragen antworten.

Die erste Frage bezog sich auf die Methode des Kollektivs, sich ohne vorherige Recherchen direkt ans Filmen zu machen, was vor allem dem Krankenhaus-Film anzumerken sei. Die Filmemacherinnen bekannten sich zu ihrer Methode, Gerade bei dem Krankenhaus-Film war es ihnen darauf angekommen, Erfahrungen zu vermitteln. Sie sind als Fremde, als Außenstehende, als Besucher ins Krankenhaus gekommen und mußten sich erst zögernd und unbeholfen herantasten, zurechtfinden, und dieser Prozeß sollte in den Film einfließen, sollte mitdokumentiert werden. Zu den Vorwürfen aus dem Publikum, man würde vieles nicht verstehen die Beobachtungen seien ungenau und zufällig, sagte Hans Helmut Prinzler, daß gerade durch die Abwendung vom Wart und obwohl man Vieles nicht verstehen könnte, sehr viel an „Alltagsbeobachtungen“ wahrzunehmen sei.

Klaus Kreimeier machte den Vorschlag, etwas über die Ausbildungsbedingungen an der Filmakademie zu sagen, da die Filme ja nicht im luftleeren Raum entständen sondern in einem Umfeld del Diskussion. In früheren Jahren sei es so gewesen, daß sich in den Filmen vor allem die Haltung des Filmemachers ausdrückte, daß seine politische Steilung alles war und die Wirklichkeit, mit der er sich auseinandersetzte, die Menschen vor der Kamera gar nichts bedeuteten. Wenn man sich die Filme heute daraufhin ansehe, so zeige sich die Tendenz, daß die von der Kamera registrierte Wirklichkeit alles, die politische Haltung des Filmemachers gar nichts bedeute. Gerade das, was gestern betont wurde, die persönliche Beziehung des Filmemachers zum Objekt, zum anderen Menschen würde in aklen drei Filmen fehlen. Daran knüpfte er die Frage: Wo bleibt hier eigentlich der Filmautor mit seiner spezifischen Position? Man warf vor allem dem Krankenhaus-Film vor, der Umgang mit dem Material, die Technik, der Krankenhaussituation wahrzunehmen, mit Menschen zu sprechen sei außerordentlich konfus. Man habe nur äußerst fragmentarisch Informationen bekommen über Menschen und Situationen. Schuld daran sei wohl der unmotivierte Umgang mit Kameraschwenks und Kamerabewegungen, wodurch noch nicht einmal die Raumsituation deutlich wahrnehmbar würde.

Andere Diskussionsteilnehmer erkannten im Gegensatz dazu die Absicht der Filmemacherinnen, sich aus der Distanz und Unsicherheit heraus dem Krankenhaus, dem dort arbeitenden Personal und vor allem den Patienten zu nähern. Ein Teilnehmer hob sogar besonders die klare Dramaturgie hervor, die Darstellung von Praxis, die über die Bilder hinausging, Nach Ansicht eines Diskussionsteilnehmers sei es sehr eindrucksvoll zu beobachten, wie unterschiedlich sich die Filmemacherinnen den von ihnen betrachteten Personen näherten. Beim Krankenhausfilm würde es im Verlauf des Aufenthaltes dichtet, konzentrierter, doch hier müßte man noch eine andere Form finden, das sei noch nicht ganz ausgereift.

Er halte es für geradezu gefährlich — sagte ein Teilnehmer die Filme und Filmemachet systematisch nach zwei Kategorien zu trennen: auf der einen Seite der erhobene Zeigefingers nur Theorie und auf der anderen Seite jene, die von Theorie überhaupt nichts mehr wissen wollten. In diesen Filmen ginge es doch um Menschen, die in ihrer täglichen Umgebung gefilmt werden, und da gäbe es eben unterschiedliche Räume, unterschiedliche Probleme: z. B. die ehemalige Köchin im ersten Film bringe ihre eigenen Probleme ein, sie erzähle der Kamera, bringe ihre Theorie etwa über die Rente mit ein, Die Spontaneität der Frau werde sichtbar, die Frau sei die Agierende. Man sehe so etwas im Fernsehen nicht. Hier hatte man die Ruhe, sich einzubringen, nicht nur privat sondern innerhalb der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Filmemacherinnen bewiesen mit ihrer Arbeit, daß sie etwas über unsere Gesellschaft auszusagen hätten, und sie bewiesen es, indem sie es zeigten.

Im Verlauf der Diskussion wurde den Filmemacherinnen häufig Behutsamkeit bescheinigt, einet aus dem Publikum nahm den Begriff auf und erklärte, er fände das eine fade Lobhudelei. Das, was Einige als Behutsamkeit interpretierten, könne er nur als Unfähigkeit der Filmemacherinnen sehen, präzise zu fragen, spontan zu reagieren. Aus eigener Erfahrung sei ihm am ehesten die Akkord hetze des Krankenhauspersonals nahegekommen. Eine der Filmemacherinnen erklärte, ihrer Meinung nach sei in dem Film schon deutlich herausgekommen, das der Tagesablauf im Krankenhaus sehr „fabrikativ“ abliefe. Bewußt habe man eine Szene wie die Chefvisite in voller Länge — also im Verhältnis I , stehen gelassen.

Ein Zuschauer stellte fest, daß er es als angenehm empfunden hätte, daß die Kamera sich nicht an den Gesichtern der Patienten festklammere, sondern in der Distanz bleibe. Es wurde so sagte eine Besucherin mehrfach gefordert, daß die Filmemacherinnen sich mehr hätten einbringen müssen, doch gerade in den Gesprächen mit den Krankenschwestern sei das sehr schön gelöst, sie hätten sich nicht interviewt gefühlt, sondern hätten gesprochen, hätten sich in ihrer Eigenart präsentiert, seien nicht manipuliert oder präpariert worden. Was ihr aber problematisch erschienen sei, hätte mit der Situation der Patienten zu tun, die wie Ausgelieferte, Herumgeschobene, wie Objekte wirkten, und das habe in ihr eine Wut ausgelöst, und darüber hätte sie gerne mehr im Film wiedergefunden, vielleicht in Gesprächen mit Patienten.

Eine der Filmemacherinnen sagte, sie hätten wohl darüber gesprochen, ob sie derlei Dinge mit einbringen sollten, seien aber zu der Ansicht gekommen, dies sei alles enthalten in den Bildern: wie die Patienten herumgeschoben würden, wie man sie behandele. „Vor allem aber entschieden wir uns für diese Lösung, weil wit nicht mit Worten unsere Aussagen machen wollten, sondern übers Bild Angela Haardt meinte, man müsse die Autorenschaft: die manche Diskussionsteilnehmer vermißt hätten, mit der Geduld der Filmemacher bei der Arbeit in Verbindung sehen. Denn gerade in ihrer Geduld, Bilder einzufangen, den Menschen Zeit und Raum zu geben, erweise sich die Autorenschaft: gerade so würden sich Filmemacher am deutlichsten in ihre Arbeit einbringen.

Noch einmal wurde gefordert, man solle eine Grundsatzdiskussion über die Ausbildung und Ausbildungsformen an der Filmakademie führen und zeigen, an welchem Material und wie die Schüler geschult werden, denn sie selbst könnten ja nichts für die Einflüsse und Richtungen, denen sie ausgeliefert seien.

Hans Helmut Prinzler setzte dem entgegen, man solle nicht von den konkreten Beispielen und den Machern ablenken. Man befinde sich nicht in einem Oberseminar, sondern wolle sich möglichst konkret an den Film und sein Umfeld halten. Ein Zuhöret gab ihm recht, fand aber, die Diskussion verliefe zu chaotisch, man würde zu oft von einem Gedankengang zum anderen springen und dadurch dem ungeschulten Zuhörer das Mitkommen erschweren.

Die Betroffenheit der Filmemacher bei der Arbeit, ihre Probleme und Schwierigkeiten — sagte ein Teilnehmer — interessierten ihn nicht. Er wolle wissen: was ist da los, was geht im Krankenhaus vor, also konkrete Fakten. Dem wurde grundsätzlich widersprochen, sowohl von den Filmemachern, die zum Ausdruck brachten, daß es um ihre persönlichen Erfahrungen ginge, als auch von Zuhörern, die meinten, man dürfe diese Veranstaltung nicht mit einer kommerziellen Kinovorführung verwechseln, denn hier ginge es um einen Erfahrungsaustausch zwischen Praktikern und Theoretikern ml! dem gemeinsamen Ziel, zu Lernen und Erfahrungen zu machen.