Film

Der 24. Stock
von Rosa von Praunheim
DE 1977 | 89 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 2
1978

Diskussion

Protokoll

Aus einigen schriftlichen Notizen soll hier das Wesentliche der Diskussion wiedergegeben werden, die im Anschluß an die Vorführung des Films mit dem Co-Autor, Bert Schmidt, geführt wurde.

Zunächst wurde von einigen Zuschauern hervorgehoben, daß sie den zweiten Teil des Films, der vom Fernsehen zurückgehalten wurde, als eine wichtige Ergänzung des ersten Teils empfanden.
Bert Schmidt sagte daraufhin, daß er das Argument des Fernsehens, den zweiten Teil nicht zu senden, weil die dort angewendete Methode der Asynchronität den Zuschauern nicht zuzumuten sei, für vorgeschoben halte, es handele sich in Wirklichkeit um eine politische Zensur. Solange Rosa von Praunheim sich als Kunstfilmer verwerten ließ, habe man ihn gerade wegen dieser und ähnlicher filmischer Verfahrensweisen gelobt. Nun, da Rosa von Praunheim sich mehr politischen Themen zuwende, sei diese Dramaturgie plötzlich ein Argument für die Zensur.
Auf die Frage, ob die asynchrone Methode bewußt angewendet sei und auf welchen Überlegungen sie basiere, antwortete Bert Schmidt, grundsätzlich sei Rosa von Praunheim kein Freund von perfekter Technik, und hier insbesondere sei auch die Erfahrung und die Annahme wichtig gewesen, daß Laien sich vor der Kamera durch die Apparatur leicht eingeschüchtert fühlten und sich häufig verkrampften. Deshalb habe man die Interviews mit dem Tonband in einer möglichst ungestörten Atmosphäre aufgenommen und später die Interviewten vor der Kamera ‚sich präsentieren lassen’. Die Kontakte zu den Bewohnern kamen insbesondere durch die Mutter von Rosa von Praunheim zustande. Sie sei eine der wenigen Bewohner, die den Umgang mit Mitbewohnern ständig aufrechterhalte und sich nicht wie dort üblich durch die atmosphärische Unwirklichkeit der Architektur isolieren lasse…
Warum in dem Film Kinder und Jugendliche so wenig vorkämen – eine weitere Frage – beantwortete Bert Schmidt, indem er darauf hinwies, daß der Film dann 6 Stunden gedauert hätte. Man habe zwar mit einer Jugendgruppe Kontakt gehabt und gemeinsam einen Film geplant über deren Situation, doch sei aufgrund der allzu passiven Haltung der Jugendlichen dann doch nichts daraus geworden.
Ob es diese Gruppe der „grey panther” in der Siedlung wirklich gebe, wollte ein Zuschauer wissen, und Bert Schmidt enthüllte, daß es Bewohner der Siedlung seien, die im Film das Manifest der amerikanischen Bewegung verlesen hätten. Es sei schon schwierig gewesen, überhaupt Leute zu finden, die bereit waren, den Text vorzutragen, zumal er eine Radikalität und Schärfe in der Formulierung der Interessen von alten Menschen hätte, wie sie bei uns kaum denkbar sei. Sie als Autorenteam, hätten sich davon versprochen, daß nach der Ausstrahlung des Films im Fernsehen Zuschauer anrufen würden, um sich nach dieser Gruppe zu erkundigen.
Wie weit die Isolation der Menschen in diesen Häusern untereinander fortgeschritten ist, wurde deutlich, als Bert Schmidt die Frage beantwortete, wie die Bewohner auf den Film über sie reagiert hätten: man habe versucht, einen gemeinsamen Fernsehabend zu veranstalten anläßlich der Ausstrahlung des Films.
Alles war abgesprochen, und kurz zuvor kam plötzlich bei allen etwas dazwischen, einige wurden krank usw. Doch hinterher stellte sich heraus, daß alle den Film alleine für sich gesehen hatten und daß sie sich in dem Film sehr wohl wiederfinden konnten.