Film

Isolator II
von Martin Zawadzki
DE 1996 | 79 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 20
07.11.1996

Diskussion
Podium: Martin Zawadzki, Gerd Haag (Produzent), Dr. Volker Runde (KMT-Spezialist)
Moderation: Didi Danquart
Protokoll: Liane Schüller

Protokoll

Merlin Zawadzki, 1987 mit der Diagnose „Leukämie“ konfrontiert und 1989 – noch einer Zeit des „Herumirrens“ und der Suche nach zur Schulmedizin alternativen Heilmethoden – durch die Prozedur der KMT gegangen, schildert, daß der eigentliche Anstoß, Isolator II zu realisieren, von dem ihn damals betreuenden Arzt Dr. Runde gekommen sei. Noch Erstellung eines Kurz-Videos zu der Thematik und der Sicherheit von Zuschüssen habe es „wie durch ein Wunder“ doch noch eine Drehgenehmigung der Klinik gegeben, erzählt Zowodzki.

Die Entscheidung, den Feuerwehrmann Herr Knechten – dem es inzwischen gut gehe – auf seinem Weg durch die Prozedur der Knochenmarktransplantation zu begleiten, sei noch persönlichem Kennenlernen in der Klinik erfolgt. Habe man zu Beginn des Films den Eindruck, Herr Knechten stimme einem Projekt in oll seiner Hilflosigkeit zu, sei im weiteren Verlauf der Eindruck beinahe einer Freundschaft zwischen Zawadzki und Herrn Knechten entstanden, beschreibt Didi Danquart.

Er habe Herrn Knechten viele Informationen geben können, als selbst Betroffener und mit dem Verlauf der Prozeduren Vertrauter, und sei letztlich zu einer Art „Ansprechpartner“ geworden, so Zawadzki.

Zusätzlich habe die Präsenz des Filmteams wohl ein Gefühl der Sicherheit und Privilegierung für den Patienten bedeutet, eine Art „zweite Kontrollinstanz“, die überwache, „ob sie auch alles richtig machen“.

Für das behandelnde Ärzteteam, ohnehin unter Extremstreß, sei die Gegenwart von Kameras/ Filmenden eine enorme Belastung gewesen, fügte Dr. Runde hinzu.

Auf die Frage, was ihn veranlaßt habe, diesen Film zu produzieren, berichtete Gerd Haag, der ursprüngliche Titel des Films („-8+50“/„MinusAchtPlusFünfzig“) sei eigentlicher Auslöser gewesen, dieser technische Begriff für etwas tief mit Menschlichem Verbundenes habe ihn beeindruckt, die Abbildung von „Großmedizin“ sei ein dokumentarisches Filmthema, das BETREFFE.

– Spannend auch der Zusatz, daß es eine „Klasse von Redakteuren“ gebe, die erst anhand einer solchen Thematik ihre individuelle Körperlichkeit zu entdecken begönnen und aus dieser Subjektivität heraus den Film ablehnten.–

Die Art der GEWALT, die der Film präsentiere, sei – für Nicht-Mediziner – abschreckend, kaum erträglich. Die unglaubliche Brutalität, mit welcher der Film direkt einsteige, habe etwas von „reality show“. Die Mischung aus ANGST und SENSATION löse Fluchtimpulse beim Zuschauer aus, so Danquart.

Zawadzki empfindet den Anfang des Films keineswegs als „abschreckend“. „Es ist eben so“, und auch wieder etwas vollkommen anderes, gleichsam POTENZIERTER SCHRECKEN, wenn man betroffen sei. Schlagartig entstehe die Erkenntnis, daß es kein Zurück mehr gebe, einen „point of no return“.

Nur so könne man das In-Gang-Setzen dieser Maschinerie sichtbar machen, versuchen zu verdeutlichen, was diese Apparatemedizin tatsächlich bedeute.

Das „Terminator-Thema“, dieses „Roboter-System“ übe eine Faszination aus. Es symbolisiere eine bestimmte Vorstellungswelt, welche suggeriere, bei Wieder-Austritt aus dieser Sphäre habe man sich verändert. Dies sei aber keineswegs der Fall, zumindest komme man nicht „technischer da raus“.

Die Architektur dieser „Fabrik“, die sich um den in seiner „Zelle“ als hermetischem Raum verharrenden Patienten-Menschen, der gleich einem „Astronauten“ verkabelt sei, schließe, garantiere dessen Leben.

Der Film sei gewalttätig, so Werner Ruzicka.

Diese GEWALT sei notwendig, um das Wesen der Medizin zu zeigen, in ihrer Dialektik von SCHMERZ ZUFÜGEN, UM LEBEN ZU KONNEN.

Dies mache der Film deutlich.

Die Dimension von MEDIZINISCHER KONTROLLE kristallisiere sich heraus. Der Film erreiche die Motivik des „NEU-GEBOREN-WERDENS“ und schildere die GRENZE VON LEBEN UND TOD.

„Ein brillanter Film. Ein delikater und radikaler Film.“

– Thematisiert wurden noch Fragen nach der Schulmedizin und anderen Heilmethoden, wozu Zawadzki äußerte, daß er die Erfahrungen, die er in seiner „Zeit des Herumirrens und der Suche“ gemacht habe, keineswegs missen wolle. Der „Apparatemedizin“ stehe er noch immer mit Skepsis gegenüber. Sich dagegen zu entscheiden wäre jedoch Selbstmord gewesen, hätten ihm andere Methoden doch keine Hilfe bringen können.

– LEBEN UND STERBEN. „Warum willst du nicht sterben?“ zählte zu den zentralen Fragen, die der Film aufgeworfen hatte. Bestehe die Notwendigkeit einer Beschäftigung mit dieser Frage doch nicht nur für von Krankheit Betroffenen.

– Zum Schluß der Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, wie sich Zawadzki verhalten hätte, hätte Herr Knechten die KMT nicht überstanden. Dietrich Leder warf ein, daß es sich bei dieser Frage ja nicht nur um eine moralische, sondern auch ästhetische handle: HAPPY END MIT FRAGEZEICHEN. Permanent habe Zawadzki doch entscheiden müssen, wie er mit dem Privaten, der INTIMITÄT VON SCHMERZ umgehen wolle. Zawadzki erklärte daraufhin, Herrn Knechten einerseits zugesichert zu haben, „keine Schweinereien zu zeigen“ und alles weitere „am Schneidetisch“ entschieden habe, und zweitens ihn – hätte Herr Knechten den Wunsch geäußert – bei seinem Sterbensprozeß begleitet hätte.

Produzent Gerd Haag formulierte, mit der Frage eines potentiellen Tods von Herrn Knechten während der Dreharbeiten konfrontiert, dazu könne er nichts sagen. Wenn er auf dem Nachhauseweg gegen einen Baum fahre, dann wisse man ja auch nicht…