Synopse
Lochkartenmuster, Modelle und Programmiersprachen: Die Bettdecke eine Software, die den Körper vor Kälte schützt. Swipen ist Weben, Zählen ist Erzählen. Repetitive Muster, in denen so viel Information gespeichert ist, dass sie sich gegen sich selbst richten: Aus Maschinenmacht wird Körperwissen. Und Arbeiter:innen träumen beim immer gleichen Vernähen der Bettdecken vom Ausruhen.
Protokoll
Am vorletzten Festivaltag breitet sich bereits eine schleichende Erschöpfung aus, die auch der Film für sich beansprucht. Die Filmemacherin Olena Newkryta bemerkt bei der Vorstellung den schönen, in Stofffalten gekleideten, Kinosaal des Filmforums. Textilität, die sich sogleich in den Bettdecken des Films entfaltet.
Der Diskussionssaal ist nicht mehr ganz so gefüllt, wie in den vergangenen Tagen. Laut der Moderatorin Theresa Koppe gäbe es im Film zum einen die historische Erzählung des Textilkapitalismus, der sich im Datenkapitalismus globaler Gegenwart fortsetzt. Aber zum anderen auch das Körperwissen, wobei es sich meist um ein weibliches Wissen handele. Auf die Frage nach der Entstehung erläutert Newkryta, dass die Arbeit zunächst einen biografischen Bezug hätte. Ihre Mutter arbeitete in einer Textilfabrik, wo Schlafräume zur Verfügung gestellt wurden. Davon ausgehend begann eine Recherche über die architektonische Organisation von Fabriken. Ihre eigene künstlerische Arbeit wäre hingegen von Schlaflosigkeit und einem entgrenzten Arbeitstag geprägt. Dies treffe nicht nur auf sie zu, sondern auch zunehmend ihr Umfeld. Deshalb sollte der Blick ebenfalls auf digitale Arbeit fallen.
Bei der Textebene hebt Koppe die angereicherten akademischen Quellen und ihre essayistische Verarbeitung hervor. Dahingehend führt Newkryta aus, dass sie für den ersten Teil des Films zunächst intensiv an der Recherche arbeitete. Der Umgang mit Worten sei ihr besonders wichtig gewesen, dabei gäbe es ein Verhältnis zum Lyrischen, das sich in einer rhythmischen Struktur befinde. Der Text bildete die Grundlage für die Bilder. Anders der zweite Teil, bei dem sie erst in der Fabrik drehte und nach Gesprächen mit Arbeiterinnen den Text erarbeitete. Vieles wäre dabei auch durch fremde und informelle Einflüsse inspiriert, fragmentarisch etwa von Silvia Federici oder Charles Babbage, Pionier des Proto-Computers. Babbage hatte die Organisationsstruktur des Computers aus der Fabrik übernommen und liefere erschreckend aktuelle Gedanken. Beispielsweise zur Automatisierung des Denkens oder Arbeitsteilung, in der die Arbeiter:innen mit den Maschinen verschmelzen sollten.
Jonas Hermanns lobt die Ästhetisierung des neomaterialistisch-informierten Ansatzes. Gleichzeitig hatte er aber den Eindruck, dass die Referenzen zu einem Kontinuum verschwimmen und ihre historischen Bedingungen vergessen, was sich für ihn auch in der Entpersonalisierung des Gesprochenen zeigt. Zwar stimmt Newkryta zu, will darin jedoch keinen Widerspruch erkennen. Um die Stimmen nicht zu trennen, hätte sie auf Namensnennungen verzichtet und durch das „you“ eine Abstraktionsform gefunden. Eine weitere Teilnehmerin befand den Schluss als agitatorisch, worin doch ein Irritationsmoment läge. Für die Regisseurin sei der Aufstand eine Möglichkeit des Auswegs: Sie erinnert an indische Arbeiter:innen, die mit einer kollektiven Schlaflegung protestiert hätten.
Hinsichtlich der nachgeahmten Bewegungen legt Newkryta die performative Ebene als Zugang zum Wissen der Arbeiterinnen in Abwesenheit ihrer Arbeitsmittel aus. Die Gegenstände wären erstaunlich gut „greifbar“ gewesen. Manche der Arbeiterinnen hätten den Film bereits gesehen und wären von dieser Stelle sehr berührt. Da möchte Koppe mehr über das widerständige Potential der Inszenierungen und die fehlende Durchlässigkeit wissen. Laut Newkryta hätten die Arbeiter:innen bei Interviews nicht mitgemacht, die performative Szene erschien einfach am direktesten, alles andere wäre ein anderer Film. Durch Kontextverschiebung sei eine verbindende Bewegung zwischen den Arbeiterinnen gestiftet, auch in der Montage. Allerdings kann man hier auch den Eindruck gewinnen, es handele sich um Effizienzstudien wie etwa von Frank Bunker Gilbreth.
Mischa Hedinger fragt sich, ob die Erschöpfung durch die Dichte auf das Publikum übertragen werden sollte, was die Regisseurin bestätigt, aber mittlerweile anders lösen würde. Zwar solle es nicht gemütlich sein, doch es bestehe die Gefahr, ungreifbar zu werden. Michael Baute mischt sich ein, betont die akkumulierende Kompression, weist aber auch auf die Beweisstruktur zwischen Text und Bild hin. Die Regisseurin stimmt nicht ganz zu und spricht eher vom Bildstrudel. Zusätzlich weist Koppe auf die horizontalen sowie vertikalen Bewegungen der Bilder hin, die wie aus einer Produktion hinauslaufen würden. Die Gegenläufigkeit finde sich auch in der Webtechnik wieder, bei der immer zwei Fäden in unterschiedlichen Richtungen verlaufen, so Newkryta, analog zum Bewegungsprinzip des Swipens. Die Montage hätte dabei schon mit der Kamera stattgefunden.
Es werden nun ein paar Informationen nachgeliefert. Beispielsweise stammen die Aufnahmen der jungen Frauen von einem Datenset für maschinelles Lernen, um Fehler in Webmustern zu erkennen, womit auch die notwendigen Ressourcen für Datenverarbeitungen ins Gespräch gebracht werden. Man kann den Film als ein eigenlogisches Wechselspiel von Mimesis, Reflexivität und Verschmelzung begreifen – hypnotisierend, überall nur noch Webmuster zu erkennen.
Der Protokollant fragt nach der gefilmten Fabrik, worauf Newkryta konstatiert, dass die Fabriken in Österreich verschwinden. Eine befreundete Person, die dort arbeite, hätte den Dreh in Absprache mit dem Direktor ermöglicht, es wäre mitunter sehr schwierig gewesen. Der gezeigte Sticker mit der Aufschrift „To look is to labor“ befinde sich auf dem Stativ der Filmemacherin. Wenigstens nicht arbeitslos?