Synopse
Erratisch und in Rage, zärtlich und in der Hoffnung auf eine Zukunft mit besseren Problemen: Als afroamerikanisches, lesbisches Paar im Obdachlosenbezirk L.A.s bewegen sich Teri und Tiahna zwischen dem rauschhaften Verhängnis ihrer Umstände und dem launischen, doch lauteren Versuch, den Fliehkräften am sozialen Rand resolut entgegenzutreten.
Protokoll
Skid Row. Der Film porträtiert Menschen in Skid Row, einem Stadtteil von Los Angeles, USA. Im Zentrum der Beobachtung ein lesbisches Paar, Teri und Tiahna. Sven Ilgner bittet die Regisseurin, Alina Skrezeszewska, um Erläuterungen zu diesem Stadtteil, in dem tausende von Menschen als Obdachlose leben. Die Regisseurin erklärt, dass Skid Row dafür bekannt sei, die größte „Community“ von Obdachlosen in den USA zu sein. Es sei eine Gegend in Los Angeles, gelegen an der Ostseite des ehemaligen Hauptbahnhofs, die verschiedene Metamorphosen erlebt habe und in den vergangenen Jahren durch starke Immobilien- und Geldinteressen unter Veränderungsdruck stehe. Es gebe spürbare Gentrifizierung. Sie habe selbst längere Zeit in einem Hotel in diesem Viertel gewohnt und dort ihren ersten Film gedreht.
Die Idee für einen Film über Menschen in Skid Row habe sich früh entwickelt, es sei ein Bedürfnis gewesen, einen Film über Frauen zu drehen. Es sollte ein Film sein, in dem es kollaborative Elemente gibt, in dem aus einer Gruppe heraus etwas kreiert werde. Im Unterschied zu einem „Observationsfilm“. Im Film gibt es Szenen aus einem der Workshops, die als Grundlage für das Projekt dienten. Sie habe diese Workshops initiiert, die regelmäßig in Skid Row mit einer Dramatherapeutin stattfanden, wöchentlich für circa drei Stunden und zugänglich für Frauen. Aus der Arbeit in diesen Workshops sei eine längere Zusammenarbeit entstanden und schließlich der Film erwachsen. Teri, eine der Hauptpersonen im Film, sei bereits beim allerersten Workshop dabei gewesen.
Liebe. Die Liebesbeziehung mit Tiahna habe sich etwas später entwickelt. Der Film zeige ihre Beziehung im Zeitraum von 2014 bis 2017. Die Konzentration auf ein Paar sei so nicht geplant gewesen. Es sei zunächst die Idee gewesen, mehrere Frauen zu porträtieren, entlang von Geschichten über starke emotionale Beziehungen. Schließlich sei aber das Paar und deren Liebesgeschichte immer stärker in den Vordergrund geraten. Sven Ilgner fragt nach den Bedingungen für die Nähe und Intimität der Beobachtungen. Intimität und Liebe seien von Beginn an zentral als Teil des Films vorgestellt worden, so die Regisseurin. Menschen in schwierigen Situationen, wie sie die Protagonisten erleben, würden häufig in sozialer Isolation dargestellt. Ihr sei es wichtig gewesen, zu zeigen dass die Menschen vor Ort intensive Beziehungen miteinander haben.
Warten. Zu ihrer Arbeitsweise erklärt die Regisseurin, dass sie darauf warte, wer sich von dem Filmprojekt angezogen fühle und mitmachen möchte. Für diesen Film sei Teri dies gewesen; Teri habe einen starken Drang, ihre Geschichte zu erzählen. Sie sei der Motor für diesen Film gewesen, weil es ihr Anliegen war, gesehen und gehört zu werden.
Nähe Beobachten. Ilgner stellt es als Stärke des Film heraus, wie es gelinge, die Perspektiven beider Personen, Teri und Tiahna, zu vermitteln. Es sei ein Film über ein Paar. Die Regisseurin schildert die Zusammenarbeit mit Tiahna. Anders als Teri habe sie keine so starke Vision gehabt. Während der Konflikte zwischen den beiden habe sie intuitiv die Sicht der einen oder anderen vermittelt; dies sei weniger geplant als eine emotionale Reaktion in der Situation. Das habe sich ergeben, weil sie sehr viel Zeit miteinander verbracht hätten.
Streit und Systemgewalt. Es sei klar gewesen, dass es auch extreme Situationen in der Beziehung gibt. Im Film ist ein sehr physischer Streit zu sehen. In diesen Streit sei sie involviert worden, sie habe versucht, die beiden auseinander zu bringen. Dafür habe es kein klares Regelwerk gegeben. Der Streit ist eskaliert, als es Schläge zwischen den beiden gegeben habe. Über die Entscheidung, ob ein solcher Streit im Film sein sollte oder nicht, habe sie lange nachgedacht und mit den beiden Porträtierten gesprochen. Tiahna habe erklärt, dass der Streit unbedingt drin sein müsse, denn das sei das echte Leben, und es bringe nichts, das zu verhüllen. Für die Regisseurin sei es wichtig zu zeigen, wie tief in das persönliche Leben und intime Beziehungen Systemgewalt, historisches Trauma und die präsente Gewalt der Gesellschaft sich einschreiben können.
Dreharbeiten, Musik, Vertrauen. Im Gespräch wird ausführlicher von den Workshops berichtet. Diese wurden „Game Girls“ genannt, und das habe auch zum Titel des Films geführt. Was im Film von den Workshops zu sehen sei, das Dramaspiel mit den Spielfiguren, sei nur ein kleiner Teil des gesamt Spektrums der Workshops. Auch ein Theaterstück sei aufgeführt worden, das aber im Film nicht zu sehen sei.
Zu den Dreharbeiten und dem Verhältnis zu den beiden Protagonistinnen gibt es mehrere Fragen aus dem Publikum. Die Arbeit sei häufig spontan entstanden, weil man kurzfristigen Ereignissen gefolgt sei. Es habe oft eine Zusammenarbeit beim Dreh mit der amerikanischen Produzentin gegeben, oft habe die Regisseurin aber auch alleine gefilmt. Das Drehen in solch einer „Community“ erfordere einen komplexen Tanz. Es sei nicht möglich, an jeder Ecke einfach zu drehen. Es erfordere viel mit Menschen zu reden und Vertrauen aufzubauen. Teri habe dies unterstützt.
Eine Zuschauerin möchte wissen, welche Ideen für die im Film eingesetzte Musik wichtig waren. Die Bilder seien sehr stark und die Musik verändere den Eindruck der Gefühle in einer Situation. Die Regisseurin sagt, dass die Musik ein „Hoffnungsthema“ vermittele und als Möglichkeit verwendet werde, um sich emotional anders auf die Protagonistinnen einlassen zu können. Manche Musik sei nachträglich ergänzt worden. Aber sie trage dazu bei, dass tatsächliche Gefühl in einer Situation, etwa bei den Workshops, näher zu vermitteln.
Eine andere Zuschauerin fragt nach zum Einsatz von Musik in der Szene des Films, in der Brautkleider ausgesucht werden. Hier sei die Musik verwendet worden, die auch normalerweise in dem Geschäft zu hören sei, so die Regisseurin. Sie sei aber nachträglich hinzugemischt worden. Film sei durch den Schnitt eine Illusion, die erzeugt wird. Ein Film sei hergestellt, keine Abbildung der Realität.
Identität, lesbische Liebe, Akzeptanz. Die Regisseurin wird gefragt, ob die Frauen aufgrund ihrer lesbische Beziehung in Skid Row Anfeindungen ausgesetzt seien. Der Film erzähle alle Konflikte aus der Beziehung des Paares heraus, zugleich vereinten die Protagonistinnen mehrere Diskurse über Gewalt und Diskriminierung. Alina Skrezeszewska schildert, dass es in Skid Row eine starke Akzeptanz für diverse Identitäten gäbe. Das gelte aber nicht für alle. Es herrsche in manchen Teilen auch eine stark religiöse und homophobe Stimmung. Innerhalb der Gruppe der Porträtierten aber gebe es eine sehr große Fluidität und Akzeptanz. Das wollte sie darstellen.
Protest. Im Film sind auch Proteste auf der Straße zu sehen, etwa der Black-Lives- Matter-Bewegung. Hintergrund für die gezeigten Proteste sei, dass ein Mensch im Viertel von Polizisten grundlos erschossen worden war. Bei anderen Polizeiaktionen kam es zu Verhaftungen und die Filmemacherin habe sich in einer Situation zurückziehen müssen, weil diese zu unangenehm geworden sei.
Intensive Beziehung. Eine Zuschauerin fragt, ob es nach dem Fertigstellen des Films noch Kontakt zu den beiden Hauptfiguren gebe. Alina Skrezeszewska schildert, dass die Beziehung während des Drehens sehr intensiv wird, und dass sich dies verändere, wenn man nicht mehr dreht. Sie stehe aber noch viel in Kontakt. Die Protagonisten und die Teilnehmerinnen des Workshops hätten den Film gesehen und hätten Freude daran. Immer wenn sie ihn sehen, werde viel gelacht, besonders bei der Streitszene.