Film

Egal gibt es nicht
von Florian Hoffmann
DE 2017 | 45 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 41
07.11.2017

Diskussion
Podium: Florian Hoffmann, Wiebke Hofmann (Schnitt)
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Agnese Kušnere

Synopse

Crashkurs Politikbetrieb: Paulina ist das Gesicht einer Initiative, die Rechtspopulisten im Bundestag verhindern will. Getrieben von Engagement, Sendungsbewusstsein und Unverständnis versucht sie sich bis zum Wahlabend im Kompromiss zwischen Message und Marketing, Dialog und Didaktik, Privatem und Politischem. 

Protokoll

Ist das ein Zufall oder das Resultat des Exilantensyndromes, das beide, die Protagonistin Paulina und den Filmemacher Florian Hoffmann, nach ihren Auslandsaufenthalten zum politischen Engagement bewegt, fragt Werner Ružička. Es sei der zeitliche und räumliche Abstand, der es bedinge, dass man Stimmungen anders wahrnehme, entgegnet der Filmemacher. Hoffmann sei Paulina auf einer WG-Party wiederbegegnet, auf der sie die BesucherInnen mit der Frage nach dem persönlichen Engagement gegen das Aufkommen rechter Tendenzen konfrontiert habe. Paulina ist das Gesicht der Initiative „Kleiner Fünf“, die sich gegen das Einziehen rechtspopulistischer Parteien in den Bundestag bei der Bundestagswahl 2017 einsetzt und von Hoffmann in seinem Film EGAL GIBT ES NICHT porträtiert wird.

Paulina sagt im Film, sie würde es hassen, müde zu sein. Von einem Zuschauer wird sie nach der Filmvorführung als Aktivitätsmaschine bezeichnet. Er hätte sich nach privaten Momenten der Protagonistin gesehnt, sich gefragt, ob es diese eigentlich überhaupt gäbe. Ein weiterer Zuschauer merkt an, dass er die Person Paulinas bloß in der Funktion für die Sache wahrnehme. Der Film sei das Porträt einer politischen Arbeit und eines Menschen, der sich dieser vollständig verschreibe, entgegnet der Filmemacher. Die Grenzen zwischen privatem und politischem Ich seien demnach nicht existent. Paulina ein „Homo Politicus“, wie Werner Ružička sie im späteren Verlauf des Gespräches bezeichnet.

Werner Ružička beschreibt den Moment, wenn Paulina, die sich in einem ständigen Professionalisierungs- und Selbstoptimierungsprozess befände, begleitet von Coaches und Beratern, sich über strukturelle gesellschaftliche Trennungen bewusst wird. Der Filmemacher weist darauf hin, dass bereits an einer früheren Stelle im Film Paulina sich mit ihrer Großmutter vergleicht, ihre Privilegien erkennt und somit die Grenze zwischen zwei Lebenswelten an der eigenen Biografie anerkenne.

Ein Zuschauer spricht von einem Bruch in der Mitte des Filmes. Das ermutigende Sujet würde sich zu einer Bedrohung wenden, als Paulinas Name auf einer rechtspopulistischen Seite auftaucht und sie sich in ihrer persönlichen Sicherheit gefährdet sieht. Unterstützung in Form einer Arbeitsgemeinschaft für die Sicherheit der MitgliederInnen bekommt Paulina von ihrem Team vorerst nicht. Der Filmemacher definiert diese Einsamkeit als Konsequenz aus der Übernahme der vollen Verantwortung für die Kampagne. Die Folgerung, die Paulina aus der Bedrohung ziehe, sei aber das Aufbringen einer höheren Motivation im Kampf gegen rechte Strömungen.

Mit dem Satz „Ich muss dort hin!“ beginnt Paulina ein Fazit aus diesen Erkenntnissen zu ziehen. Sie ist anwesend bei einer rechten Demonstration, gründet gemeinsam mit „Kleiner Fünf“ die Austauschplattform „Bus der Begegnungen“, sucht nach Berührungspunkten mit anderen Lebenswelten. Dabei erkenne Paulina laut Hoffmann die Notwendigkeit, aus der eigenen Filterblase auszutreten, um sich mit anderen Perspektiven zu konfrontieren.

Eine Zuschauerin hinterfragt kritisch die filmische Inszenierung der Protagonistin. Paulina befinde sich in einer Feedbackschleife der Selbstinszenierung. Auf sie als Wortführerin könne alles zurückgebunden werden. Sie fragt außerdem, ob Paulina nicht selbst das Symptom der Filterblase darstelle, da der Film den Schritt nach außen versperren würde. Ein weiterer Zuschauer empfindet es ebenso als schwierig, dass die Initiative „Kleiner Fünf“ eher ein Gesicht und somit eine Art Marke reproduziere, als die eigentlichen politischen Ziele. Auf der anderen Seite wird aber genau diese Darstellungsform, die Fixierung auf eine Protagonistin, von einem anderen Zuschauer als Notwendigkeit, der Bewegung ein Gesicht zu verleihen, gesehen.

Der Film wird von einem Zuschauer als das Porträt eines Wendeprozesses begriffen. Der Filmemacher selbst spricht ebenfalls von einer fortschreitenden Suche Paulinas und der Prozesshaftigkeit politischer Strategien der Initiative. Zum Ende des Filmes zieht die AfD als drittstärkste Partei in den Bundestag ein. Paulina spricht sich für das Weitermachen aus.