Film

Dahlienfeuer
von Stefan Hayn
DE 2016 | 67 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 40
10.11.2016

Diskussion
Podium: Stefan Hayn, Bernadette Paaßen (Kamera)
Moderation: Sven Ilgner
Protokoll: Iris Fraueneder

Synopse

„Was machen Sie mit den Bildern?“ Feiertagsausflügler auf Motiv- und Erinnerungsrecherche in der floralen Idylle einer Dahlienschau. Ein argloser Fragenkatalog und nonchalante Antworten, bei denen etwas durch die Oberfläche schimmert. Nicht ganz scharf gestellte Bildausschnitte zwischen privatem und öffentlichem Gedächtnis. 

Protokoll

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Ilgner leitet das Gespräch mit dem großen Vertrauensvorschuss ein, den die im Film interviewten Hobbyfotograf_innen bzw. Spaziergänger_innen auf der Berliner Dahlienschau Regisseur Hayn entgegenbringn. Liegt das daran, dass es sich um keinen Fernsehfilm, sondern um ein Kunstprojekt handelt?

Zum Kunstprojekt-Status seines Films liest Hayn das Statement eines RBB-Redakteurs zur Ablehnung des eingereichten Vorhabens vor: „Wir beschäftigen uns in unseren Fernsehproduktionen mit religiösen, ethischen und moralischen Fragen, die den Menschen in unserem Sendegebiet wichtig sind, die ihnen unter den Nägeln brennen, mit denen sie hadern oder für die sie sich engagieren. Eine impressionistische Atmosphäre im floralen Umfeld kann sicherlich hübsch sein, gehört aber nicht zu unserem Themenspektrum.“ Er wolle aber kein großes Lamento anfangen.

In seinem Dokumentarfilm gehe es nicht um repräsentative Authentizität. Die Reihenfolge der Gespräche sei eins zu eins übernommen, auch keines ausgelassen, kaum gekürzt worden, vielmehr leicht verdichtet und der Originalton verwendet.

Er wollte den Menschen in seiner Befragung keinen direktiven Fragenkatalog unterbreiten, dem Film auch kein explizites Thema geben, sondern – allegorisch gesprochen – landschaftlich vorgehen. Das heißt nicht strukturell.

Er habe lange und intensiv geschnitten um einen organischen, also nicht zu strukturell vorgehenden Rhythmus zu finden.

Die Schwarzphasen seien als Zensuren, auch als Aufwecker zu verstehen.

Tag der Dahlienschau: 3. Oktober 2014. Also vor der sogenannten Flüchtlingskrise. Das sei wichtig für die nachträgliche Betrachtung des Films, Hayn habe es aber nicht ausstellen wollen, weswegen das Datum auch erst am Ende des Films genannt werde. Wichtig in Zusammenhang mit den sich wandelnden gesellschaftlichen Vorzeichen, unter denen der Film immer neu betrachtet werden würde.

Die Blumen würden mit der gleichen Gewichtung wie die Menschen gefilmt. Hayn sagt, dass der Film implizit durchaus auch als Kritik an bestimmten dokumentarischen Methoden verstanden werden könne. Ja, vor allem in der Weise der Befragung, bestätigt Ilgner.

Zum Schneideprozess bemerkt jemand aus dem Auditorium anerkennend, dass es gemeinhin sehr schwer ist, nicht ins Artifizielle zu kippen und den Zufall zu erhalten, was hier offenbar gut funktioniert hat.

Ein weiterer Diskutant merkt an, dass in den Bewegungen, die der Film vollzieht, im Nahe- Rangehen und Sich-wieder-Entfernen, immer wieder das Große hereinbricht, der Krieg und die Erinnerung daran, um sich dann wieder im Schönen aufzulösen. Hayn freut sich über diese Formulierung.

Es kommt eine Frage zum Ende des Films auf, wo der Ton plötzlich wegfällt und die Einheit von Bild und Ton aufgekündigt wird. Warum?

Hayn beschreibt den Ton als Kontinuität, wohingegen das Bild immer ein Ausschneiden bedeute. Darüber kommt er auf den gezeigten Prozess des Scharfstellens bei den Dahlienaufnahmen zu sprechen und darauf, dass die Schwarzphasen nicht etwa Unschärfen verstecken sollten. Zu den Schwarzbildern wirft Paaßen ein, dass sie ihrer Empfindung nach an Stellen eingesetzt werden, an denen man einen direkten Schnitt zum nächsten Bild erwarten würde.

Hayn ergänzt noch, dass er gezielt gegen Homogenisierung im Schnitt gearbeitet habe, gegen bestimmte Formen der Dramaturgie, eben nicht strukturell vorgehen wollte.

Jemand wendet ein, dass am Filmende mit der Entscheidung, den Ton wegzulassen, aber doch dieses letzte Bild so stark betont sei, wie nichts sonst. Hayn meint, er hätte hier das Gewicht dessen, um was es in den Gesprächen gehe, betonen wollen, aber auch jenen abstrakten Leerraum erhalten, in dem unter anderen politischen Vorzeichen wieder ein neuer Sinn würde entstehen können.

Das Ende des Filmgesprächs dreht sich um die im Film aufgeworfenen Fragen nach Schuld und Traumata, die sich vererben und um die Frage, in welchen Zusammenhängen die Besinnung auf vorherige Generationen vor dem Hintergrund aktueller Geschehnisse und Entwicklungen gesehen werden könne.

Anm. der Protokollantin: Die Verschriftlichung des Filmgesprächs wurde nachträglich vom Regisseur redaktionell unterstützt.