Film

Way of Passion
von Joerg Burger
AT 2011 | 89 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 35
09.11.2011

Diskussion
Podium: Joerg Burger
Moderation: Till Brockmann
Protokoll: Nadine Voß

Synopse

Es wird gestickt, gesäubert, noch einmal zum Barbier gegangen: Karfreitag im sizilianischen Trapani ist der Tag der großen Prozession. Die ganze Stadt ist auf den Beinen. Begleitet von Musik tragen Männer in dunklen Anzügen und mit teuren Uhren in bedächtigem Schritt Altare auf ihren Schultern durch die Straßen. 

Protokoll

Auf den ersten Blick verbindet Trapani in Sizilien und Oberammergau in Bayern nicht viel. Addiert man aber die Begriffe Passion, Tradition, Spektakel, sieht die Sache schon anders aus.

Am Dienstag dieser Woche präsentierte Jörg Adolph seinen Film über die Stadt im Süden Deutschlands, in der sich alles um die zehnjährig stattfindenden Passionsspiele dreht. Die letzten Tage Christi werden hier als touristisches Riesenevent inszeniert. WAY OF PASSION von Joerg Burger erzählt ebenfalls von der Passion Christi. In einer jährlich stattfindenden Prozession tragen die Einwohner von Trapani von Karfreitag auf Karsamstag 24 Stunden lang lebensgroße Figurengruppen auf ihren Schultern durch die Altstadt. Schwitzende Männer in Anzügen, die sich im Takt der Trauermusik von Blaskapellen stetig wiegen und sich gegenseitig in traditioneller Manier stützen. Manchmal sind es auch Frauen. Und Jesus sei eigentlich nur so dabei – wichtiger sei die Madonna, die Mutterfigur, so Burger.

Bilder dominieren die Erzählung: kein Kommentar, keine Untertitel, Burger wollte mit der Kamera erzählen. Diese befindet sich mitten unter den Trägern in den engen Gassen, nah an den Gesichtern, an den schwankenden Körpern. Er habe die Emotionen, das unmittelbare Erleben und die Sprachmelodie der italienischen Prozessionsteilnehmer zeigen wollen, erzählt Burger. Gemeinsam mit den Trägern gerät die Kamera in einen Rausch. Von starker „Körperlichkeit“ und „Musikalität“, die sich auf den Zuschauer überträgt, ist die Rede im Kreis der Diskutanten.

Während im Publikum vorrangig Zustimmung herrscht gegenüber diesem Film, der „seine Zuschauer nicht in der bequemen Haltung belässt“ (Ružička), wird an Burgers bildhaftem Erzählen, an der „beobachtenden Teilnahme“ auch Kritik geübt. Zu lang sei der Film, und „die ungebrochene Faszination fürs Ritual ohne Kontrapunkt redundant“. Diesem Aspekt stimmt Burger zu: Die erste Fassung des Films sei 150 Minuten lang gewesen, das habe keiner ausgehalten. Für Michael Girke hingegen wäre dies kein Problem gewesen, er hätte noch länger zuschauen können bei dem, was für ihn der Entzifferung einer Hieroglyphe glich.

Nach 24 Stunden brechen die Träger zusammen, am Busen de la mamma wird hemmungslos geweint, Ruhm und Ehre erwartet die Tapfersten unter ihnen. Einiges an Emotion sei gespielt, berichtet Burger, eine gute Prise Theatralik mische sich mit Pathos. Während für einen Diskutanten an dieser Stelle die Auflösung einer zuvor homoerotischen Spannung liegt, offenbart sich für eine andere Zuhörerin hier eine „umgekehrte Männlichkeit“. Elfi Mikesch hingegen erkennt geschlechtsunspezifisch einen „kollektiven Eros, der Sehnsüchte ausdrückt“. Andere Diskutanten ergänzen Kommentare zu „typisch sizilianischen“ Familien- und Mafiastrukturen. Einigkeit herrscht letztlich darüber, dass, obwohl Burger inhaltliche Kontextualisierungen nicht beabsichtigte, WAY OF PASSION über seine visuelle Strukturen Reflexionen und Assoziationen zulässt, die weit über den Stoff hinausgehen.