Synopse
Eine dokumentarische Versuchsanordnung: Karl Gabler erleidet einen Herzinfarkt. Die Notärzte mühen sich. Er stirbt. Seine Frau Gisela und ihr Sohn müssen die hiesigen Rituale des Abschieds durchlaufen und ihn „unter die Erde bringen“. Bürokratische Akte, die Sargwahl, die passende Grabrede.
Protokoll
„Habt ihr schon mal über den Tod wirklich nachgedacht?“ – diese sehr emotional gestellte und sehr persönlich gemeinte Frage aus dem Plenum beantworten die Filmemacher mit spitzem Nachdruck: „Darum geht es in unserem Film gar nicht!“
Patrick Doberenz hat längere Zeit auf einer Intensivstation gearbeitet, wo ihm die normierten Arbeitsabläufe nach einem Sterbefall auffielen und wo die Idee zu diesem Film entstand: „Wie normiert kann der Tod eigentlich sein?“ Philipp Enders spricht von „zeitlicher und räumlicher Ökonomisierung“ des Sterbens, die eine Menge gewinnbringender Arbeit für Versicherungsvertreter, Rettungssanitäter, Ärzte, Priester und Bestatter nach sich zieht.
Kein individueller Todesfall sollte dokumentiert werden, sondern der „Sterbefall per se“ (der Arbeitstitel des Films lautete „Mustermanns Tod“). Die Reduktion auf die „reinen“ Figuren, die „reinen“ Institutionen und die „reinen“ Räume soll mechanisch anmutende Abläufe und sinnentleert wirkende Rituale sichtbar machen.
man stirbt. ist eine Versuchsanordnung im Studio mit Accessoires und ein Planspiel mit verschiedenen Ebenen:
– das eigentliche Schauspiel (fiktional / eine Frau spielt eine Witwe)
– dokumentarisches Schauspiel: vom täglichen Sterben tangierte Berufstätige spielen ihre
wirklichen Tätigkeiten nach (ein Rettungssanitäter spielt einen Rettungssanitäter)
– der Off-Kommentar (manchmal wie aus einem Radiofeature, dann wieder im Ratgeberstil) – die Musik
Kleine Verschiebungen in den ersten beiden Ebenen führen zu Irritation und Komik (die beiden älteren Personen sind wirklich ein Paar und spielen hier eine Rolle, die sie wohl in naher Zukunft selbst durchleben werden / der Arzt, der „herzstillende… äh schmerzstillende“ Medikamente gibt / usw.).
Es sollte keine „Dokumödie“ werden, sagt Patrick Doberenz, aber „Lacher stören uns nicht und wir wussten um deren Wirkung“. Die Versprecher waren nicht im Drehbuch, sondern sind ihnen als wirkliche Fehler beim Drehen „in die Hände gefallen“. Dieses Sich-Zurückziehen der beiden Filmemacher aus ihrer Autorenschaft erntet Widerspruch: Solche volksschwankartigen mockumentary-Elemente landen doch nicht zufällig in einem Film (der sich gut auf DVD zukünftigen Rentenbescheiden beilegen ließe).
Zuspruch finden jene Szenen, in denen Personen im Film plötzlich über sich selbst nachzudenken scheinen (das lange schweigsame Innehalten des Arztes, bis er die lebenserhaltenden Geräte abschaltet): Hier kommt es zu einer Irritation auf tiefster Ebene und man kann „geradezu zugucken, wie es in seinem Kopf arbeitet“. Gelobt wird das flirrende Weiß in diesem filmischen white cube, der in einer geradezu transzendenten Lumineszenz strahlt.