Film

Bergauf, bergab
von Hans Haldimann
CH 2008 | 101 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 32
04.11.2008

Diskussion
Podium: Hans Haldimann
Moderation: Werner Dütsch
Protokoll: Roman Fasching

Synopse

Drei Höfe in drei Höhenlagen bewirtschaftet die Familie Kempf im Urner Schächental. Im Wechsel der Jahreszeiten ziehen sie als Bergbauern mit ihrem Vieh vom Talboden an die Baumgrenze, im Frühling bergwärts, im Herbst talwärts.

Protokoll

Was Dreharbeiten, das Risiko am Berg, als auch die ländliche Ökonomie betrifft, scheint der Deutsche mehr auf Sicherheit bedacht zu sein, als der Schweizer. Der Dreh am Hang war nicht so sehr gefährlich, beruhigte Hans Haldimann zu Beginn einen fast besorgt wirkenden Werner Dütsch, und auch die Rechnungen für den Stall konnten von der Familie Kempf im Dezember bezahlt werden. Tatsächlich hat sich in der Schweiz seit der Bankenkrise die Diskussion über die Rentabilität von Landwirtschaft aber merklich geändert. Und die Alternative zu den bewirtschafteten Kulturlandschaften wäre das Geröll, das man in einer Szene deutlich am Gegenhang sieht – auch das ist Natur, aber eine Natur ohne Menschen. Eine Frage der Ökonomie war auch, bemerkte Haldiman, dass das Schweizer Fernsehen den Film erst mitfinanzieren wollte, als er fast fertig war. Allerdings unter der Bedingung, Bergauf, bergab auf eine 50-minütige Fassung zu kürzen. Das wollte der Regisseur dann aber nicht mehr, denn zu dem Zeitpunkt war der Film von ihm schon mit anderen Mitteln fertig finanziert.

Haldimann hatte die Idee zu dem Film seit 10 Jahren im Kopf. Als er die Familie Kempf letztendlich durch Zufall kennen lernte, hat es „einfach gepasst,“ und das Projekt hat eine Eigendynamik entwickelt. Er erinnerte in der Diskussion daran, dass natürlich auch einige Bauern in der Gegend ihre Höfe aufgeben müssen, dass nicht alle Familien dort so glücklich und harmonisch funktionieren, und dass er auch die Familie Kempf anders hätte zeigen können. Letztendlich zeigt der Dokumentarfilm seine Sicht.

Ein Diskutant verortete Bergauf, bergab genau in der Mitte von Sinnlichkeit und Analyse: Einerseits die Gegenwärtigkeit der Kamera und die Beschreibung der steilen Hänge, die einem das Gefühl der Teilhabe geben, andererseits die Erläuterung der Absurdität dieser Ökonomie, die aber wieder dazu führt, dass diese Leute so sehr an ihrer Arbeit festhalten. „Im besten Sinne ein Kultur- und Heimatfilm.“ Dabei wies Haldimann auf einen seiner Meinung nach fundamentalen Unterschied hin: Max Kempf sagt im Film, er mache die Arbeit allein für sich und seine Familie. Unbill gibt es dabei, laut Haldimann, von Seiten des Marktes und der Natur. Als Bergbauer ist man aber gegen beides machtlos, somit man kann dagegen nicht lästern. Bei uns, so der Regisseur, gibt es immer Chefs und Menschen, die einen konkret ärgern – und das ist ein fundamentaler Unterschied. Man dürfe dabei andererseits auch nicht übersehen, dass bei der Solidarität und dem System der gegenseitigen Hilfe unter den Bauern durchaus jeder darauf achtet, dass er für sich als Teil der Gemeinschaft (Familie, Nachbarn, Gemeinschaft) auch Nutzen zieht.

Geradezu eine Provokation sah Werner Dütsch darin, dass man im Film so einen Begriff von Arbeit und Motivation zeigt, dass man „im hier und jetzt“ Menschen sieht, die so gerne und so viel arbeiten. Denn das kennt man heute nicht. Ein Diskutant meinte, dass Arbeit zu einem Kulturbewusstsein führt, und Haldimann bestätigte, dass die Menschen in seinem Film über ein gewisses Bewusstsein verfügen, was es für ein Privileg ist, dort in der Natur zu arbeiten. Wenn sie Zeit haben, gehen sie sogar noch sonntags auf den Berg, um vom Gipfel aus den Sonnenaufgang zu sehen.

In der Diskussion wurde von Werner Dütsch und dem Pubikum auch ausgelotet, welchen Begriff von Romantik man nun für Bergauf, bergab verwenden könne. Dabei wurde die Bemerkung eines anderen Diskutanten aufgenommen, dass Romantik vielleicht „eher der Weg vom Land in die Stadt“ ist. Ein Diskutant wies dabei auf die im Film sehr präsenten Produktionseinheiten Ort und Familie hin, die aber deswegen nicht so wirklich romantisch erscheinen, weil der Film die Körperlichkeit der Arbeit so stark greifbar macht: „Ein anti-romantischer Romantikfilm.“

Die im Gespräch beinahe demütige Rezeption der hiesigen Flachländler, von romantik-freien Bildern einer motivierten Arbeit am Berg, war auffallend. Auch die dabei gefühlte Provokation erstaunt, denn bei der Duisburger Filmwoche hat doch der Diskurs über harte, aber erfüllende, Arbeit eine muntere Tradition.