Film

Hotel Very Welcome
von Sonja Heiss
DE 2007 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 31
08.11.2007

Diskussion
Podium: Sonja Heiss
Moderation: Barbara Pichler
Protokoll: Aycha Riffi

Synopse

Fünf Individualisten nehmen eine Auszeit in Thailand und Indien, irren durch einen bunten Dschungel aus Raveparties und traditionellen Umzügen. Man arbeitet am eigenen Glück: Sexabenteuer, Meditation, Einheimische kennen lernen. Das Hotel Very Welcome dient als Basislager, von dem aus die Flucht vor sich selbst angetreten wird.

Protokoll

„HOTEL VERY WELCOME ist kein Dokumentarfilm“, kündigt Sonja Heiss vor der Vorführung im Kinosaal an. Ihr ist dieser Hinweis sehr wichtig, sagt sie später in der Diskussion, denn sie will auf keinen Fall falsche Erwartungen wecken. HOTEL VERY WELCOME ist ein Spielfilm mit dokumentarischen Momenten und Elementen, ein Film, der ‚in der Realität’ gedreht ist, so beschreibt Barbara Pichler die „Mischform der Inszenierung, mit der wir Zuschauer konfrontiert sind“.

In der Konzeptphase war ein ‚reiner’ Dokumentarfilm noch denkbar, doch in der weiteren Betrachtung kristallisierte sich für Sonja Heiss und den Autor Nikolai von Graevenitz heraus, dass sie inszenieren müssen. Ein ‚reiner’ Spielfilm hingegen, wäre viel zu teuer geworden.

Inszeniert beziehungsweise fiktional sind die Hauptfiguren: professionelle Schauspieler (bis auf die Darstellerin der Svenja), erfundene Lebensgeschichten und erfundene Gesprächsthemen. ‚Echt’ sind die Nebenrollen/-darsteller und die Menschengruppen an den verschiedenen Drehorten. Bei einem „Casting am Wüstenrand“ wurde der indische Wüstenführer gefunden, der sich selbst spielte. Ihn und auch viele andere Nebendarsteller beschreibt Heiss wie „Leute, die im wahren Leben wie Filmfiguren wirken“. Aber vielleicht liegt das auch an unseren Klischees im Kopf, wie ein Inder zu sein hat, räumt sie ein. Neben den ‚echten Menschen’ gibt es auch ‚echte Momente’: Zum Beispiel die Parties oder die Kurse im Osho-Resort.

Um die richtige Balance zwischen Dokumentarischem und Fiktionalem zu bekommen, wurde viel konzipiert (geschrieben), inszeniert und geprobt. Ein durchgehendes Kamerakonzept musste gefunden werden: Keine spielfilmartigen Schnitt- und Gegenschnitt-Auflösungen, aber auch kein ‚gewolltes Kameragewackel’.

Für die Filmstory war die grundlegende Überlegung, welche Figuren und welche Aspekte im Vordergrund stehen sollten. Prototypen des Backpackers sind der Hippie-, der Fun-, der Spirituelle-Backpacker. Wichtige Aspekte des Travellings waren für Heiss: Die Flucht, die spirituelle Suche und die Erfahrung, dass man sich manchmal erst auf einer Reise richtig kennen lernt. Hinzu kam die Idee über eine Figur (ein quasi Anti-Prototyp), die ‚fest hängt’ und sich nicht fort bewegt. Die Gestaltung der Figuren wurde während der Dreharbeiten weiter fortgeführt: Heiss hat immer weiter geschrieben und weiter gelernt und weiter gesehen, was so passiert. „Alles was der Schauspieler macht, steht immer im Vergleich zur Realität. Wenn er zuviel spielt, fällt es auf. Auch kann es zu dokumentarisch werden. Ich musste die Mittellinie finden.“

Überhaupt nicht wichtig, was Fiktion und was dokumentarisch ist, findet eine Diskutantin. „Ich taumel’ durch den Film, wie vor Jahren durch Goa“, so das Filmerlebnis. Dass die Regisseurin gerade auch in der Auswahl der Musik ein gutes Gespür bewiesen hat, wird angemerkt.

Als Drehorte wählte Heiss Indien, weil es ein klassisches Backpacker Ziel ist (spirituelle Reisen und Zukiffen). In Thailand wollte Heiss die Partyinseln zeigen, auf denen nur Westler feiern und Einheimische ausschließlich als Kellner vorkommen. Die Geschichte um Svenja sollte einfach in einem Hotel in einer asiatischen Metropole spielen. Interessant, dass gerade die Figur, die sich nicht bewegt, den intensivsten Kontakt zu einem Einheimischen hat.

Den Mythos des „sich durch den Dschungel kämpfenden Backpackers“ will Heiss brechen, denn wer heute reist hat meistens einen Busfahrplan dabei und weiß in welchem Hotel es eine Klimaanlage gibt. Mit dem Zeigen von Klischees, hat sie hingegen keine Probleme, denn „so ist es ja auch“, sagt sie am Schluss der Diskussion.