Synopse
Vier Jahre seiner Kindheit verbrachte Arslan in der Türkei. Nach Jahren der Abwesenheit ist er dorthin zurückgekehrt und blickt auf dieses ihm so vertraute und so fremde Land. Von Istanbul bis in die Berge Kurdistans geht seine Reise, zeigt Momente aus dem Alltag der Menschen und weite Landschaften einer unbekannten Türkei.
Protokoll
Während zweier längerer Recherchereisen in die Türkei legte Thomas Arslan die Stationen seiner Reiseroute für den Film fest. Dabei beschränkte er sich entlang seiner Route von West nach Ost auf Städte, um sie untereinander vergleichen zu können, und so ein Spektrum des Landes entlang der Route von West nach Ost zu zeigen. Istanbul und Ankara waren die einzigen vorab fixen Reisestationen.
Im Zuge des Films lag Arslans Fokus auf dem Versuch, Bilder in und aus einem Land zu machen, die nicht gleich wieder in Sprachschablonen landen, sondern die Zuseher zu dem Versuch einladen, sich von genau diesen Mustern frei zu machen. Persönliche Spurensuche in der Türkei war für ihn nur der Anfangspunkt, aber nicht das Ziel im Film. Trotzdem wusste er natürlich, dass es eine subjektive Auswahl wird, darauf verweist der Anfang in Istanbul auch deutlich. Also sein Blick und nicht die Wahrheit über die Türkei, befriedigt er das Interesse im Publikum. Der Filmemacher hatte kein Drehbuch, sondern nur Skizzen, denn es ging ihm darum, auf der Reise etwas vorzufinden und nicht etwas Bestehendes abzufilmen.
Keine Sprachhülsen illustrieren und bedienen. Deswegen ist vor allem der erste Teil des Films, Istanbul, länger und breiter als die restlichen, weil es nach Ansicht Arslans wichtig ist, die Zuseher primär zum Sehen einzuladen und eben nicht an hinlänglich bekannte Diskurse anzuknüpfen, wie zum Beispiel den 3-Bild-Istanbul-Klassiker: Moschee, Brücke, Burger King. Arslan ging es auf seiner Reise auch um die ständige Überprüfung seines eigenen Blickes auf die Türkei. In diesem Sinne wurde sein Kamerablick im Laufe der Zeit – im Zuge des prozesshaften Drehens – immer präziser. Dies erlaubte ihm auch gegen Ende des Films ein Minarett nicht als Symbol zu zeigen, sondern einfach als Minarett auf dem ein paar Vögel landen. Besonders dieser Aspekt seiner Bilder wird vom Publikum mehrfach gelobt, man merkt, sagt eine Diskutantin, dass er an bestimmten Dingen richtiggehend vorbeifilmen wollte. Andere Teilnehmer allerdings vermissen (vor-)bestimmte Bilder im Film.
Aus diesem Grund hat er sich auch schon im Vorfeld gegen Interviews entschieden. Er wollte nicht über Gesprächspartner irgendeine Beweisführung machen. Außerdem ist sein Türkisch zu holprig, ein Dolmetscher wäre bei Interviews auch wieder eine vermittelnde Instanz gewesen. Die kleine Ausnahme mit seiner Tante – auch seine vergleichsweise geringe Distanz zu ihr – riskierte er einfach, fand es auch okay, sie in dieser Form, aus seinem Blickwinkel des durchreisenden Familienmitglieds, zu zeigen.
Äußere Erscheinungsformen, auch das wechselnde Straßenbild zeigen, dass es im Osten der Türkei immer ärmer wird. Aber Istanbul und Ankara als moderne westlich Städte und ein durchwegs ländlicher Osten sind eben auch verbreitete Türkei-Bilder die so nicht ganz stimmen. Auch im Osten gibt es heterogene, urbane Strukturen. Diese Bilder sieht man hierzulande allerdings nicht, sondern fast immer nur kleine, verarmte Dörfer – die es natürlich auch gibt.
Die Entscheidung, im Film die Thematik der Armenier und Kurden zu streifen, ist ähnlich gelagert. Die Kirche lag an der Route, an ihr einfach vorbeizufahren wäre zu schöngeistig gewesen, und die zahlreichen Militärkontrollen im mehr östlichen Teil der Reise waren ja auch ein präsenter und realer Aspekt. Arslan nahm diese Brüche im Film so auch in Kauf.
Nur sehr wenige Fixpunkte der Reise brauchten wirkliche Vorarbeit, z.B. der Dreh beim Mausoleum (Drehgenehmigung) oder die armenische Kirche (Recherche). Die Dreharbeiten waren in Istanbul relativ leicht, da die Menschen nicht sehr stark auf die Kamera reagierten. Je weiter im Osten gedreht wurde, desto mehr Aufregung verursachte das 3-Mann-Team. So gesehen konnte man auch in der Duisburger Diskussion ein vergleichbares West-Ost Spektrum beobachten. Und den Katalogtext als Ausgangspunkt.