Film

Rotweinrock und Lammfellmantel
von Hannah Metten, Jan Gabbert
DE 2004 | 52 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 28
10.11.2004

Diskussion
Podium: Hannah Metten, Jan Gabbert
Moderation: Mark Stöhr
Protokoll: Torsten Alisch

Synopse

20 Jahre Fleckenbekämpfung, Berlin Prenzlauer Berg, gehen ihrem Ende zu. Die kleine Kiez-Reinigung von Waltraud Köhler und ihrem Mann wird nur noch ein paar Wochen bestehen. Es fällt nicht leicht, den Tag, an dem der Rollladen das letzte Mal herabgelassen wird, immer näher rücken zu sehen. Auch den Kunden nicht. Irgendwann muss trotzdem Schluss sein – mit Ende 60.

Protokoll

Diese „Bachelor“-Abschlußarbeit von Hannah Metten & Jan Gabbert entstand nach zufälliger Sujet-Suche und einem längeren Vorgespräch mit den Besitzern der Reinigung sowie einem Test-Dreh innerhalb von wenigen Wochen.

Konzeptionell hatten sich die Filmemacher darauf geeinigt, „am Rand zu stehen“ und das Geschehen in dieser kleinen Oase im großen Berlin zu beobachten: der Ort für eine Entdeckungsreise im Mikro-Kosmos eines familiären Kleinbetriebs mit sozialistischer Unternehmer-Vergangenheit.

Die Enge der Räume und der laufende Geschäftsverkehr, der nicht behindert werden durfte, zwangen zu Kameraperspektiven, die oft nur das behandelte Objekt & das Arbeitsgerät oder die handelnde Person zeigen – selten beides gleichzeitig. Das Fehlen von Interview-Sequenzen war Absicht (den Leuten bei ihrer Arbeit zugucken statt zuhören). Die Lichtprobleme, die manchmal bei den am Rande „ausbrennenden Köpfen“ sichtbar werden, tragen andererseits zur Intimität dieses Films bei.

Der Film zeigt (im wesentlichen)

– den Kundenverkehr

– den Ort der „Fleckenbekämpfung“

– die Beziehung zwischen den beiden Besitzern

und gliedert sich in

– die Geschichte / Historie des Betriebes

– die Arbeit und die Beziehung zwischen den Dargestellten

– den endgültigen Abschied / die Geschäftsaufgabe

Ein Kunden – Ehepaar – Arbeits – Film.

Und auch einer der wenigen „Nachwendefilme“, die einen glücklichen Ausgang der Wiedervereinigung zeigen (dies aber zufällig, lakonisch & nebenbei, und ohne jegliche Ostalgie).

Dieser Film ist geprägt von einem starken Vertrauensverhältnis zwischen allen Beteiligten: Filmemachern, Protagonisten, Kunden, Angestellten, Ehepartnern. Schon nach kurzer Zeit fühlten sich die Filmemacher „dazugehörig“ und waren von der Arbeitsethik der beiden Besitzer angetan: Papier wird recycelt, Geräte werden so lange benutzt, wie sie zufriedenstellend funktionieren (anstatt sich von Vertretern Hi- Tech-Kassen aufschwatzen zu lassen), Vorkasse wird nicht verlangt, auch wenn dann mal die im Frühjahr abgegebenen Wintermäntel erst im Spätherbst abgeholt & bezahlt werden, und den Kunden werden Tipps gegeben, wie sie ihren Sondermüll (verdreckte Flokati-Teppiche) besser & billiger reinigen können – so wird dieser Laden zu einer Art Beichtstuhl, wo sich die Kunden für ihre kaputten Schuhe entschuldigen, die sie zur Reparatur abgeben.

Die Verwendung des historischen Schwarz-weiß-Fotos wurde kritisiert: „überflüssig“ bzw. „essentiell für den Film“ waren die konträren Meinungen des Publikums. Es handelt sich um das Abschiedsgeschenk eines Kiez-Fotografen an die Besitzer der Reinigung, ergänzte Hannah Metten.

Jemand bedankte sich für die Seh-Romantik, die man in diesem Film endlich mal bis zum Ende auskosten konnte und die nicht durch selbstkritische Spielereien der Filmemacher zerstört wurde. Das Zerreißen des Zettels ist ein äußerst gelungenes Schlussbild in einem durchweg sympathischen Film.

Ein realistischer Produktions-Etat lässt sich nicht beziffern. Die Materialkosten betrugen weniger als 1.000 Euro, aber alles Wissen & Technik & Arbeitszeit wurde umsonst geliehen: Bei Überzeugungstätern ist die Selbstausbeutungsrate hoch.