Synopse
Der Tag der Senioren im „Schönegg“ besteht aus den üblichen Dingen: drei Mahlzeiten inklusive Medikamenteneinnahme, dem Schwatz oder Zank auf dem Flur mit den anderen Damen und Herren. Eine willkommene Abwechslung ist es, wenn die Kleinen aus dem Kindergarten zu Besuch kommen und mit den Alten zusammen backen, malen und singen. „Que sera…what ever will be, will be…“.
Protokoll
Das Thema hat sich Dieter Fahrer nicht unbedingt ausgesucht, eher „lebt“ er seine Themen – so wurde er auch in den Schweizer Medien bereits charakterisiert. Ausgehend von einer gelebten Zeitdimension, über die er einen Dokumentarfilm machen wollte, fand er sich im Wald wieder. Dort traf er eine Frau, die ihm erzählte, dass sie bald ins Altersheim ziehen müsse. Er besuchte ein Altersheim und war anfänglich erschrocken über das, was er dort antraf. Er spürte eine Nähe zu diesen Menschen, fühlte sich aber als Besucher. Und als eine Pflegerin meinte, er solle doch bei ihnen mitmachen, entschied er sich, als Hilfspfleger anzufangen. Nach einiger Zeit des Mitarbeitens begann er Fotos zu machen, erst später drehte er dort.
Es fiel ihm nicht schwer das Altern und den Tod anzunehmen, Vergänglichkeit kommt auf uns alle zu, das war ihm bewusst. Durch den nahen Umgang mit alten Menschen während seiner Arbeit, über das Berühren, lernte er „neue Kommunikationswege“ kennen.
Die Konstruktion des gleichzeitigen Dokumentierens der Kinder ließ es Dieter Fahrer erträglich werden, über die alten Menschen zu berichten. In einer ersten Fassung hatte er die Kinder nicht einbezogen, wodurch der Film düster, verlorener, einsamer wirkte. So wollte er etwas Versöhnliches zeigen, ein Moment, das er auch bei den alten Leuten bemerkte. Die „Renaissance“ dieser Menschen konnte er so anders gewichten.
Eine Altenpflegerin im Publikum findet diese Herangehensweise sehr berührend, und für den Film harmonisierend, wobei sie anmerkt, dass gerade der enge Kontakt zwischen Kindern und alten Menschen in der heutigen Zeit eine Utopie darstelle.
Man lerne bei Schweizer Filmen oft Unterschiede zu Deutschen Verhältnissen kennen, so Werner Ruzicka.
Der Umgang mit Blicken beeindruckt – jenen der Kinder, die die alten Menschen mit großen Augen betrachten, das sich Anblicken der Alten untereinander, aber auch der Blick, den die Kamera und damit die Zuschauer einnehmen. All diese Blicke werden zugelassen. Der Film arbeitet mit „Tableaus“, in denen sich die Blicke ereignen.
Doch der Moment des Utopischen, das Werden und Gehen, wird durch die Äußerungen der alten Menschen philosophisch grausam verworfen. Ob es dabei die Utopie gibt, die Schmerzlichkeit aufzugeben? Lindern könnten die Kinder, das sei förderlich, aber solche Projekte seien selten, bemerkt ein Zuhörer.
Das Thema des Alterns als persönliche Utopie beschäftigt Dieter Fahrer.
Sein Begriff der Utopie habe sich seit Beginn des Projektes verändert, Utopie als etwas weit Entferntes, etwas nicht zu Realisierendes. Jetzt sieht er bereits einen Händedruck als Utopie, schon dieser habe eine gesellschaftliche Dimension. Und er weiß, eine Utopie muss gelebt werden, ähnlich wie Noten erst durch das Spielen zu Musik werden.
Es handelt sich bei dem von ihm ausgewählten Altersheim um ein ganz gewöhnliches Altersheim in Bern, mit 90 Bewohnern. Monatlich kostet es zwischen 6000 und 9000 Franken, also 4000-6000 Euro. Einen Flur hat er ausgewählt, die Menschen, die ihm emotional nahe standen und die einen Kontakt zu den Kindern aufnahmen. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass die Begegnungen mit den Kindern selten sind. Die meiste Zeit seien diese Menschen auf sich gestellt. Die PflegerInnen seien so nah und nett,wie man sie im Film kennenlerne. Die Kälte, die in den Bildern aufscheine, sei durch die Jahreszeit während des Drehens (bewusst gewählt) entstanden.
Eine Zuschauerin fühlt sich an Hopper erinnert.
Dieter Fahrer hat ohne zusätzliches Licht gearbeitet und die Bilder in der Postproduktion bearbeitet. Es war eine Gratwanderung, die Hauttöne durch Farbkorrektur so zu gestalten, dass die Menschen weder ausgebleicht aussehen, noch mit roten Pausbäckchen erscheinen. Präzise wollte er die Lebendigkeit der alten Menschen darstellen. Deshalb wählte er die DigiCam, um das bestmögliche Farbspektrum zu erreichen – obwohl er natürlich am liebsten auf Film gedreht hätte.
Dieter Fahrer schafft es, einen filmischen Raum zu schaffen, mit Geschmeidigkeit die Geschichte zu erzählen, teilweise zu glätten, wodurch sich für Werner Ruzicka das Gefühl vermittelt, das Zeit zurückgesetzt wird – zum Beispiel indem die Geschichte der Kinder und der Alten gleichzeitig erzählt werden.
Das Warten, die Ödnis, „das Nichts“ zu erzählen, dafür hat Dieter Fahrer eine Form gefunden – geglückt, wie nicht nur er selbst findet. Ein Stilmittel war dabei mit dem Stativ zu arbeiten. Hier erkennt er einen deutlichen Unterschied zu den beiden am Vorabend gezeigten Filmen mit Handkamera. „Sind Filme geguckt oder bewegt?“ stellt sich ihm die Frage.
Bei seinem Thema „bewegt sich nicht viel“. – Da konnte er nicht mit der Kamera durch Gänge rennen. Er blickte auf Blicke, die schweifen, auf Körper, die ruhen.
Ein Zuschauer bemerkt, dass ihn der Film geschockt habe, dass eine Utopie schwinde und er fragt nach den persönlichen Erkenntnissen des Regisseurs.
Dieter Fahrer berichtet über sein eigenes Leben, den nahen Kontakt der Generationen, den er als alleinerziehender Vater pflegt. Er thematisiert den gesellschaftlichen Wandel vom Gemeinschaftlichen zum Individuellen, der sich im letzten Jahrhundert vollzogen habe, unwiederbringlich. Der Film hat ihn verändert, er nimmt sich mehr Zeit. Gläubigkeit spielt bei ihm weniger eine Rolle, auch wenn der Glaube ein Thema ist, das ihm im Altersheim oft begegnete. Da konnte die Kamera schon mal zum Beichtinstrument geraten, was er jedoch nicht in den Film aufnehmen wollte.
Dieter Fahrer spricht über die Unterscheidung zwischen jungen, agilen Alten, die noch im Markt sind und den alten Alten, die keine Lobby mehr haben. Der Film zwingt, über Endlichkeit, über Vergänglichkeit nachzudenken. Sein Film beinhaltet eine philosophische Komponente.
Werner’s Zitat frei nach Jean Cocteau: Filmen ist, dem Tod bei der Arbeit zugucken.
Einzig über die Musik stolperte Werner Ruzicka im Film. Dieser wirke aufgesetzt, er komme von irgendwoher. Dieter Fahrer ist sich dieses Einwandes bewusst, er kennt den puristischen Geschmack, versuchte aber, die Musik als Melodien oder Lieder, wie sie die alten Menschen singen, einzusetzen, um Emotionalität zu erzeugen und durch das Versöhnliche der Musik die wichtigen Momente der Leichtigkeit seiner Protagonisten zu unterstreichen.