Film

Kurzer Abriss
von Ulrike Knorr
DE 2003 | 43 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 28
10.11.2004

Diskussion
Podium: Ulrike Knorr
Moderation: Fred Truniger
Protokoll: Roman Fasching

Synopse

Eine Papierfabrik in Sachsen, einst eine der größten im Land. Der Werkstoff gibt sich widerspenstig und scheint den Maschinen und Arbeitern viel Feingefühl abzuverlangen. Seine charismatische Wirkung bleibt nicht aus: Bis heute hat die Fabrik allen gesellschaftlichen Umschwüngen widerstanden.

Protokoll

Die Diskussion dreht sich öfters um die Fragen, ob der Film zu wenig über Arbeits- und Dorfstrukturen erzählt, den ökonomischen und kulturellen Kahlschlag in dieser Gegend zu wenig thematisiert, ob die Zwischentitel zuwenig oder zuviel Information geben. Knorr stimmt den kritischen Ansätzen weitgehend zu, und der Film wäre ihrer Meinung nach wahrscheinlich auch mit weniger Zwischentitel ausgekommen. Aber letztendlich hat sie sich in diesem Projekt von Anfang an für die ästhetische Variante interessiert, deswegen werden die angesprochenen Aspekte nicht oder fast nicht explizit thematisiert. Dieser Zugang wird auch von den Anwesenden akzeptiert, es kommt zum Glück keine Debatte darüber auf, was dieser Film hätte werden sollen, oder was ihm fehlt.

Die ihr schon bekannte Kritik, dass eine Untertitelung der teilweise schwer verständlichen Interviewpassagen hilfreich wäre, lehnt die Filmemacherin allerdings ab. Damit hat sie ein „Respektproblem“, weil so der Eindruck entstehen könnte, dass die interviewten Arbeiter nicht richtig sprechen. Diese Menschen sprechen so, und wenn man das sprachlich nicht ganz versteht, dann ist das für den Film im Endeffekt auch nicht wirklich entscheidend.

Durch ihren Hintergrund als Photographin entstand auch die betont graphische Herangehensweise an die Darstellung der Maschine. Sie sucht in ihrer photographischen Arbeit immer Bilder in denen man den Horizont nicht sofort sieht, was im Film die regelmäßig relativ enge Kadrierung der Bilder erklärt.

Auf Film zu drehen war für sie kein Thema, weil es ein Rechercheprojekt werden sollte und wegen der Kosten. Das digitale Aufnahmeformat erlaubte ihr auch eine eigene Arbeitsweise, da man die Kamera problemlos fünf Minuten laufen lassen kann, damit, bzw. weil sich ein Bild über die Zeit entwickelt. Somit kann man auch in die Maschine hineinschauen, den Versuch wagen, die Maschine lebendig zu machen. Die erste Einstellung des Films war zugleich eine der ersten Aufnahmen die gedreht wurden. Ab der Situation in der das Papier reißt, war die Regisseurin fasziniert von und verliebt in das Papier und die Maschine. Diese Einstellung entspricht auch in etwa einem Resümee des Filmes: Es geht um das Funktionieren/nicht Funktionieren der Maschine und um die Menschen die im Bild auftauchen. Im Endeffekt gelingt es der Regisseurin in der Diskussion aber nicht gänzlich, eine klare Trennlinie zwischen ihrem ästhetischen Interesse an der Maschine und den topographischen und menschlichen Elementen im Film zu ziehen. Es gab jedoch keinen bewussten Versuch ihrerseits, an Arbeiterfilme oder sozialistische Bildkompositionen anzuknüpfen.

Dass der Film nicht wirklich zeigt wie Papier gemacht wird, freut die einen, und wird von den anderen Diskussionsteilnehmern akzeptiert. Knorr bleibt dabei: Sinn des Films war nicht, die Papierherstellung zu erklären. Aufgrund des offensichtlichen Wissensdursts im Saal erklärt sie dann leicht nachvollziehbar den Anwesenden den Prozess der Papierherstellung, wie das denn nun funktioniert mit dem Papierschaum, den Drüsen, den Sieben, dem Filz und den Rollen. Die folgende Wortmeldung eines anwesenden Filmemachers kündigt ein ab nun verändertes, materialbewußteres Verhältnis zwischen ihm und dem Papier seiner zu bearbeitenden Drehbücher an.

Ihre Beziehung zu den Fabrikarbeitern war laut Knorr gut, auch weil sie die Fabrik schon seit ihrer Kindheit kennt. Sie arbeitete alleine und erlangte im Laufe der Dreharbeiten Anerkennung und Akzeptanz in der Fabrik. Vor allem die letzte Einstellung, der Arbeiter der an der Kette zieht, spiegelt für sie die Beziehung zwischen ihr, der Filmemacherin, und den Arbeitern gut wieder.

Am Ende kommt das Gespräch noch einmal kurz zum Papier zurück, da sich Fred Truniger „nun doch auch“ dafür interessiert. Wie funktioniert für Knorr diese Diskrepanz Monster/Maschine – weißes Papier? Von Anfang an war das ein Kontrapunkt, so Knorr. Das Vergängliche, das Zerbrechliche des weißen Papiers hat sie einfach fasziniert. Geschichten werden auf Papier geschrieben. Irgendwann wird dieses beschriebene Papier dann als Altpapier wiederverwertet, um neues Papier herzustellen – und es entstehen neue Geschichten auf recyceltem Papier.

Ein konstruktiv offenes Podium wie Publikum ermöglichen ein lohnendes Gespräch über Knorrs Film – nicht eitel, fast Wonne, ohne Vernichtung.