Synopse
Ein Museumsbesuch. Führer ist Cézanne. Er beschreibt die Bilder, die wir sehen: Von Ingres, Courbet, Delacroix. Die Bilder leuchten, und der Text Cézannes leuchtet. Die Kamera sieht nur die Bilder – ruhig und still. Nur zu Anfang und Ende des Films die Bewegungen: Blicke auf Paris, Blicke in die Natur. Ein Besuch in der Kunst.
Protokoll
Im Essener Folkwang Museum läuft zur Zeit eine Ausstellung mit dem Titel „Hommage à Cézanne“. Eine solche „Huldigung“, so Manfred Blank eingangs, setzt eine Gemeinde im sakralen Sinne voraus. Er will in der Diskussion versuchen, den „Cézanneismus“ mit einem „Straubismus“ in Verbindung zu bringen. Dieses Vorhaben zieht sich durch die belebte Diskussion.
Um den Film im Gesamtkontext des Straubschen Werks zu sehen, braucht es Erläuterungen. Wenn man Straub-Filme kennt, und „die Straubs“ kennt, weiß man: Der Kern ihrer Texte ist das Zitat. Dem Film Ein Besuch im Louvre liegt ein Teil eines Texts aus dem Jahr 1910 zu Grunde, ein Gespräch von Joachim Gasquet mit Paul Cézanne.
Straub, beschreibt Blank mit einem Augenzwinkern, versteht sich als „Zensor“ eines Buches, das ihn interessiert. Er schreibt Passagen ab, die er für brauchbar und wichtig hält und fügt so ein neues Werk zusammen. Der Filmemacher zitiert manchmal auch die eigenen Filme. So entstehen versteckte politische Kontexte.
Das provoziert eine Erkenntnis aus dem Publikum, dass dieses selbstreferenzielle „Straubsystem“ enttäuscht. Die körperliche Erfahrung, die beim Betrachten von Gemälden entsteht, ist in Foto und Film sowieso nicht vermittelbar, und der Film wird somit als arrogant in seiner Darstellung/Selbstdarstellung empfunden. Werner Dütschs Einwand, dass sich der Film durchaus mit Respekt den Bildern nähert, kann nicht beruhigen. Die anschließende Frage nach der Haltung der Filmemacher aus dem Publikum erhält die Antwort, dass Straub sich mit einem Text nicht unbedingt identifizieren muss, obwohl er ihn interessant findet. Auch Manfred Blank warnt vor zu einfachen Schlussfolgerungen. Straub komme es nicht auf seine eigene Meinung an: Sie interessiert ihn nicht, und er, Straub, will auch nicht, dass man sich dafür interessiert. „Das macht Godard“, würde er sagen.
Das Publikum hakt dann mehrmals nach: Was ist denn die Haltung des Films? Der Film handelt vom Sehen von Bildern, vom Sehen allgemein und ist letztendlich ein radikales Pamphlet gegen Theorie, Verallgemeinerungen, museale Aufbereitung. Er sagt „Sieh doch selbst! Habe einen eigenen Blick!“
Blank verleiht seiner Antwort Nachdruck: Der Film hat nichts Didaktisches. Es geht darum, wie Cézanne die Bilder gesehen hat. Für Cézannes „ästhetische Flegelhaftigkeit“ (Blank) ist die Essener Ausstellung zu bieder, Straubs Film ist es nicht. Die darauf folgende Publikumskritik, dass sich Blank hier nun selbst widerspricht, bleibt vorerst unbeantwortet im Raum stehen.
Erst gegen Ende der Diskussion kommt aus dem Publikum die Beobachtung, dass beim Schauen des Filmes eine ständige Aufmerksamkeitsspaltung stattfindet, die Untertitel unentwegt von den Bildern ablenken und umgekehrt.
Ein letzter Interpretationsversuch aus dem Publikum begreift den Film als Versuch, einen „Tante Emma Laden des Sehens“ am Leben zu erhalten, in dem in kleinen Mengen Bilder zu etwas höheren Preisen aber mit Liebe und Offenheit zum Detail angeboten werden. Eine Einladung in eine Schule des Sehens, um am Ende den Nuancenreichtum der Natur im abgefilmten Wald zu erkennen. Auch Blank greift diese letzte Einstellung noch einmal auf, um auf die vielfachen Möglichkeiten, ein Motiv zu filmen, hinzuweisen, auf den einen Augenblick, den zu zeigen nur im Film möglich ist. Dieser vielleicht produktive Ansatz kommt aber zu spät. Das Gespräch vor dem noch verbleibenden Restpublikum wird eher spontan beendet. Der Versuch Zwischenraum zu bauen, hat dennoch ein Echo.
Ein Besuch in Duisburg. Flegelhaftes Rezipieren und Interpretieren, sowie widerspenstiges Diskutieren. Cézanne hätte wahrscheinlich seine Freude gehabt – Straub auch. Und ob es ihn interessiert, scheint nicht wirklich wichtig zu sein.