Film

Das Problem ist meine Frau
von Calle Overweg
DE 2003 | 52 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 27
06.11.2003

Diskussion
Podium: Calle Overweg
Moderation: Gudrun Sommer
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

Bestimmte Wirklichkeiten sind nur filmbar, indem man sie künstlich herstellt.

Sprechende Köpfe realer „Täter“ (hier im folgenden Klienten genannt*) in dieser Dokumentation hätte die alten Fragen zu Authentizität & Inszenierung aufgeworfen:

– die Anwesenheit der Kamera hätte unweigerlich zur Frage geführt, warum die Klienten das mit sich machen lassen, warum sie sich vor der Kamera outen,

– die Klienten wären von Tätern zu Opfern (der Kamera) mutiert,

– die Erträglichkeit für manche Zuschauer/Innen wäre nicht gegeben, man kann diesen Klienten nun direkt ins Gesicht sehen,

– der eigene Voyeurismus macht kein schlechtes Gewissen,

– ein einigermaßen „verantwortungsvoller Umgang“ mit solchen Klienten ist nicht möglich, die soziale Ächtung wäre ihnen sicher gewesen.

Das ist ja wie die Wirklichkeit! Oder: Die bewusst künstliche Form verhindert die unweigerliche Enttäuschung der Fake-Dokumentation (dass man betrogen / getäuscht wurde).

Die Klienten wirken anfangs wie schlechte Schauspieler, aber bei allen kommt es zu Momenten der Wahrhaftigkeit: Männer mit Beziehungserfahrung können problemlos solche Klienten improvisieren, da ist nur wenig zusätzliche Fantasie nötig. Aus gespielten Situationen entwickelt sich bei den Schauspielern real erinnerter Beziehungsstress. Genaue Texte oder gar fertige Dialoge waren nicht nötig.

Diese Klienten sind keine Randgruppe, sie schlagen in einer straffreien Zone zu, und viele von ihnen glauben bis an ihr Lebensende: DAS PROBLEM IST MEINE FRAU.

Ist diese Gewalt ein Verhalten, das man wirklich „verlernen“ kann?

Zielt die Therapie darauf ab, die kaputte Beziehung zu retten?

—-

* Diese Täter suchen den Therapeuten auf wie eine Rechtsanwaltspraxis, und sie hoffen auf ein paar Ratschläge und Tipps, die sie ihren Frauen beim nächsten Mal um den Kopf hauen können.

Manche der Opfer bieten als Ausweg die eigene Schuld an, aber das Verständnis des Opfers bringt überhaupt nichts. Erst in der „Krise“ (Trennung oder Auszug) beginnt, etwas aufzubrechen.

Der Film beschreibt Gewalt als Resultat von Ohnmacht, das ist das Gegenteil der gesellschaftlichen Form der Gewaltproduktion, in der die Macht von „oben“ kommt: aber nie würde ein Klient seinen Chef statt der eigenen Frau schlagen. JeMANNd anderes wirft in den Raum, dass es auch Männer gibt, die von ihrer Frau geprügelt werden. Und es gibt psychische Gewalt, die weit schlimmer sein kann, als eine Ohrfeige. Es gibt das Einsperren. Und so vieles andere auf der Welt. Alles echt wahr, aber zu diesem Film nicht relevant.

Der Film hat vielleicht die Tendenz, den Therapeutenblick über zu betonen: Die Gesprächsdynamik, das Weg-Reden & Ableugnen, der performative Redefluss, und wie sich die Sprache „bewegt“ – das führt zu einer Identifikation mit dem Therapeuten, mit seiner Härte & Klarheit in der Sprache, mit der er die Leute antreibt. Zuckerbrot & Peitsche. Sollte das ein Film über die Sprache der Therapeuten sein?

Und was ist mit deren „Verantwortung“ gegenüber den Opfern? Die Therapeuten müssen schließlich darauf bedacht sein, dass die Klienten nicht gleich nach der ersten Sitzung verschwinden und gleichzeitig die aktuelle Gefährdung der Frau einschätzen.

Der Film baut Bögen auf und ist dramaturgisch durchgestaltet, reißt dann am Ende aber etwas zu plötzlich ab. Calle Overweg wollte keinen Werbefilm für diese Art der Therapie machen, und es wäre etwas zu platt gewesen, wenn am Ende die Klienten zu netten Kerlen von nebenan würden. Vielleicht ist es auch etwas unglücklich, dass der Film damit endet, dass die Männer nur aufhören müssten, Superman zu spielen.

Der Film hat die Tendenz Fragen aufzuwerfen, die man in sich selbst trägt: wann es bei einem selbst kurz davor war, warum solche Situationen in Beziehungen immer mal auftreten, und wie sich das wieder aufgelöst hat.

Das (weibliche) Schlusswort aus dem Publikum: Dieser Film zeigt ein positives Bild der Männer, dass Männer tatsächlich so sein können, wie Frauen sich das wünschen – endlich über sich und ihre Gefühle zu reden …

[Kotz!]