Film

Q – Begegnungen auf der Milchstraße
von Jürg Neuenschwander
CH 2000 | 94 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 24
08.11.2000

Diskussion
Podium: Jürg Neuenschwander
Moderation: Elisabeth Büttner
Protokoll: Heimo Schirgi

Synopse

Viehzüchter und Milchhändler aus Mali, Burkina Faso und der Schweiz begegnen sich. Man spricht diesselbe Sprache. Schon bald geraten gängige Vorstellungen von Kuh und Milch, von Markt und Fortschritt in Bewegung. Zurück in ihrer Heimat berichten die Afrikaner von den Erfahrungen im Alpenland.

Protokoll

[Wer befiehlt, die Kuh oder Du?/Ich!/Nein. Du glaubst die Kuh mit dem Denken zu beherrschen, aber du weißt nicht, ob sie nicht auch denkt.]

[Die Natur pur ist etwas sehr Energiereiches. Das ist ein Geschenk, und wenn man das trinkt, arbeitet man viel schneller, und man arbeitet vor allem gerne. – Hanspeter Reust, Gstaad]

Eine Reise mit dem Milchkompass, ein Kulturvergleich. Elisabeth Büttner fragt nach der Stellung der Kuh im nationalen Selbstverständnis der Schweiz. Zum Stellenwert der Kuh in der Schweiz könne er nichts sagen. Zentral sei das Tier, auf dem viele Gründungsmythen aufbauen, für viele Kulturen. Er versteht es als Transportmittel, das einen Raum schafft, eine Straße für die Erzählung. Exotisierung habe er zu vermeiden versucht. Ebenso die Kontrastierung, das Ausspielen der Kulturen. Jürg Neuenschwander betont, dass er einen Film über Menschen gemacht habe.

[In der Schweiz habe ich gesehen, wie man von der Kuh profitieren kann. Doch es ist schwierig, etwas auszubeuten, wenn man es als seinen Bruder betrachtet – Amadou Dicko, Baraboulé]

Diesen Aspekt sieht Büttner als gelungen. „Das Fremde wird nicht bekannter – das Bekannte wird uns fremder“. Im Schnitt sei Ironie spürbar, die sich auf das Publikum übertrage. Das Lachen nehme er positiv auf, so der Filmemacher. Er habe einen „Genussfilm“ machen wollen, einen Film, der zu einer Sache durch Verdichtung Stellung beziehe. Bei den Fahrtszenen habe er nicht gewusst, was gesprochen wurde. Erst als er die Übersetzung seines Regieassistenten gelesen hatte, habe er ihr Potential erkannt.

[Amadou, siehst du die hässlichen Kühe?/Ich habe sie gesehen./Sie haben keine Hörner!/Ja!/Sie haben keine Höcker und sind zu dick./ Tatsächlich!]

Elisabeth Büttner gefiel die Art, wie im Auto gesprochen wurde, wie Geschehnisse kommentiert wurden, die man nicht zu sehen bekam. Dies schaffe viel Freiraum für das Publikum. Es wird nach Kontrollmechanismen gefragt, wie vermieden werden konnte, in die Exotismusfalle zu geraten. Neuenschwander führt den intensiven Schnittprozess mit Regina Bärtschi an. Vier Wochen sei man am Avid gesessen, ohne auch nur einen Schnitt zu setzen. Es sei dann ein 20-Minuten Vorschnitt entstanden, der von Studierenden, die ihn zu sehen bekamen, stark kritisiert wurde. Zu plakativ und vergleichend, lauteten die ersten Urteile. So habe er weitergearbeitet, ohne eine fixe Aussage oder ein bestimmtes Publikum vor Augen zu haben.

Rembert Hüser hat einen guten Western gesehen. Was ihm jedoch gefehlt habe, sei die Reaktion der Schweizer auf den Besuch gewesen. Das Machtverhältnis wird angesprochen. Der Filmemacher argumentiert mit dem bewussten Verzicht auf Spiegelungen – eine Entscheidung, die vor Drehbeginn getroffen wurde. Elisabeth Büttner kommt auf die Unterschiede in der „Kuhsemiotik“ zu sprechen. Die Flecken auf der Stirn der Kuh – für die Peul ein Indikator für den Frauenreichtum des Besitzers – im Gegensatz zu den Computerpiktogrammen, die den Status der Kuh anzeigen, ihre Leistung in Zahlen übersetzen.

[Das Programm „Manager As Farmer“ ist ein Projekt, wo wir versuchen, Manager aus der Arbeitswelt herauszunehmen und auf dem Betrieb zu integrieren, damit sie wieder ein wenig lernen, mit der Natur umzugehen, damit sie wieder wissen, was eine Kuh ist und sich etwas entspannen können – Hanspeter Heimberg, Lobsigen]

Der integrative Ansatz der Afrikaner in Fragen des Fortschritts wird angesprochen. Neuenschwander betont, die Veränderung sei ein zentrales Thema seines Filmes. Wieviel Neues hereingelassen würde, was bewahrenswert erscheine. Eine Gradwanderung, die manchmal gelingen kann.

[Die Welt ist nicht starr, sie ändert sich zwangsläufig. Gott akzeptiert den Stillstand nicht. Die Dualität regiert die Welt. […] Die, die nicht verstanden haben, verweigern die Veränderungen. Wer sich nicht ändern will, verkümmert – El Hadji Boubacar Sankoro, Somena]