Film

Der Boxprinz
von Gerd Kroske
DE 2000 | 100 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 24
06.11.2000

Diskussion
Podium: Gerd Kroske, Susanne Schüle (Kamera)
Moderation: Werner Ružička
Protokoll: Judith Keilbach

Synopse

Ob in hermelinbesetzten Shorts oder als Dandy mit Cut und Gehstock, der Boxer Prinz von Homburg alias Norbert Grupe wird zum Prototyp des Medienstars. Während gleichzeitig die Beatles in Hamburg ihre Karriere starten, hat auch er die Mechanismen von Inszenierung, Provokation und Werbewirksamkeit längst begriffen. Ein Sittenbild des Milieus und seiner Ränder – so legendäre filmische Leckerbissen wie Grupes Interview im ZDF-Sportstudio 1969 inklusive.

Protokoll

Norbert Grupe war eine schillernde Figur im Boxsport: gemeinsam mit seinem Vater trat er in amerikanischen Kampfshows auf und gab den distinguierten Deutschen mit Monokel zum Besten. Als Prinz von Homburg eroberte er in den 60er Jahren die bundesdeutschen Boxringe, und die damaligen Medien waren von der Show, die Grupe abzog, begeistert. Gerd Kroske sah damals die Übertragung der Kämpfe im Westfernsehen – gemeinsam mit seinem Vater. Zwar kein Boxenthusiast, aber immer-hin von seiner Freundin mit einem Boxsack beschenkt, rätselte er mit einem Freund, was aus Grupe geworden sei. Puffbesitzer in der Provinz oder im Moskauer Banken-geschäft – das Interesse an einer Legende wurde von derartigen ‚Männer-Biografie-Mythen‘ befeuert.

Frauen kommen in dieser Welt (und im Film) nur am Rande vor und bestätigen letzt-endlich das Männlichkeitsbild: sie bewundern oder haben Angst. Umso interessierter war Werner Ruzicka, etwas über die Position von Kamerafrau Susanne Schüle während der Arbeit an Der Boxprinz zu erfahren. Kroske erwähnt, daß er eigentlich mit einem anderen Kameramann drehen wollte. Die blickende Frau scheint demnach nicht Bestandteil des Konzepts gewesen zu sein. Es sei, so Kroske, jedoch sehr schnell klar geworden, daß es ganz gut ist, eine Frau dabei zu haben: Es sei nicht so zotig zugegangen wie unter Männern.

Susanne Schüle beschreibt ihr anfängliches Interesse als Chance, sich in einem Milieu (St. Pauli) zu bewegen, zu dem sie sonst keinen Zugang hat. Außerdem habe sie sich für den Menschen Norbert Grupe interessiert. Schon bei der ersten Begegnung sei für sie klar gewesen, daß diesem Menschen seine Geschichte ins Gesicht geschrieben ist. Auf die Nähe zur männlichen Physis, die Ruzicka in ihrer Kameraführung aus-macht, hätten die Protagonisten nicht reagiert. Daß der – auch weibliche – Blick auf Posen und den männlichen Körper ein wichtiger Bestandteil der Selbstinzenierungen ist, die Durchbrechung von Grenzen zum täglichen Geschäft der dargestellten Männer gehört, wurde in diesem Zusammenhang leider nicht erörtert.

Das Anschauen und Hingucken wurde in der Diskussion letztlich nur im Zusammen-hang mit einer Szene erörtert: Wegschauen sei der falsche Weg, wenn ein Zuhälter und ehemaliger Freund von Grupe unvermittelt einen Mann schlägt, der sich mit glasigen Augen neugierig der Kamera nähert. Beobachtet wird dabei der Täter, der ungerührt weitergeht und -spricht, als ob nichts geschehen sei. Dieser sei sauer gewesen, weil ein türkischer Dealer (!) ihn in seiner Erinnerung an die gute alte Zeit, bevor die Machtverhältnisse in St. Pauli gekippt seien, gestört habe, so deutet Kroske dieses Verhalten.

Ein Diskutant bemängelt, daß der Film das Männlichkeitsbild nicht gebrochen, sondern es im Gegenteil geradezu naturalisiert habe. Diese Kritik können Kroske und Schüle jedoch nicht nachvollziehen. Grupe sei eben ein Phänomen mit enormer Ausstrahlung. Und genau so sei er im Film auch zu sehen. Diesen Vorgaben entsprechend interessiert sich das Diskussionspublikum dann hauptsächlich für Norbert Grupe. Für seine wechselnden Tagesformen beim Drehen, dafür, wie er seinen Lebensunterhalt finanziert, wie er auf den Film reagiert hat und was er jetzt gerade so macht. Die Figur Norbert Grupe/ Prinz von Homburg durfte auch in der ersten Duisburger Diskussion weiterschillern.

 Gerd Kroske l. © Hendrik Lietmann
Gerd Kroske l. © Hendrik Lietmann