Film

Grüße aus der Lebensmitte
von Marian Kiss
DE 1999 | 59 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 23
02.11.1999

Diskussion
Podium: Marian Kiss, Doris Hepp (Redaktion)
Moderation: Rembert Hüser
Protokoll: Torsten Alisch

Synopse

Zwei beste Freundinnen in ihren besten Jahren. Sie erzählen, inszenieren, reflektieren und ironisieren, was das sei: die Lebensmitte. Die Erinnerungen beginnen in Budapest und münden in die Berliner Gegenwart. Männer kommen natürlich auch vor.

Protokoll

Oft greift man weit, sucht ferne, „wichtige“ Themen … beim Filmemachen und in Fernsehproduktionen … manchmal vielleicht zu weit … oder fährt weit in der Welt herum – und findet dann doch nur sich selbst.

In ihrem midlife-Film ohne crisis wirft Marian Kiss einen Blick auf das Nahe, auf ihre Freunde und Kinder und Nachbarn. Und auf ihre verschiedenen Männer. Oder auf die Bilder, die diese von sich haben. Auf deren Identitäten und Selbst-Identifikationen.

Welche Bilder machen sich Menschen von sich selbst?

Womit identifizieren sie sich?

Wie bilden sich Identitäten?

Kann man sich selbst ver-orten im Freundeskreis?

Oder in den Bildern, die man von seinen Freunden hat?

Zeit-Modelle tauchen auf. Verschiedene Modelle von Zeit-Erfahrung. Warum haben alle Freunde keine Zeit mehr? Zeit UND Geld zu haben, ist der tiefste Wunsch einer Protagonistin im Film – aber nur, wenn sie ganz tief danach gefragt werde: Sonst wäre sie schon glücklich über Zeit allein. In den Achtzigern waren wir (alle) Zeit-Millionäre. Oder irgendwann früher jedenfalls. Als wir noch Zeit hatten. Wohin ist sie entschwunden, die Zeit? Kann man sie wiederfinden? Oder nochmal Zeit-MillionärIn werden? Müssen wir heute die Zeit mit Geld bezahlen? Und warum war das früher nicht so?

Die gender-Frage zum Film: Ist Grüsse aus der Lebensmitte die weibliche Bestandsaufnahme der Generation um die 40? Doris Hepp erklärt, das dies nicht der Ausgangspunkt war, sich allerdings im Nachhinein einige gender-Spezifikationen entdecken lassen: Die Männer reden auf Meta- Ebenen (die LIEBE, die LÜGE, der eigene STIL) über/von sich, während die Frauen von persönlichen Erlebnissen, Wünschen und Träumen sprechen.

Eine Künstler-Szene zwischen Zukunftsträumen, Märchen & Miami wird porträtiert, mit wundersamen Bildern von sozialistischen Traktoristinnen – aber die eigenen Kinder holen uns ganz schnell zurück auf die Grundfragen des Lebens: Von der Zen-Philosphie zur Frage nach dem morgendlichen Butterbrot. Die Kinder bringen so verwirrend einfach Ordnung in die chaotischen Familienverhältnisse (Stiefsohn und Halbbruder, die beste Freundin verschenkt ihren Ehemann, und nach der dritten Trennung gibt es irgendwann Kinder vom fünften Mann, der wiederum eigene Kinder mitbringt …), dass Marian Kiss beim ersten Betrachten dieser Szene selbst „sehr erschrocken“ war über die Kompliziertheit ihrer Beziehungen.

Jemand wird fast neidisch auf diese verständnisvollen Kinder, die sich so wunderbar einfügen in das Lebensgebäude einer Künstlerin: Eine Kinder- & Kunst-Produktion mit gleichem Stellenwert.

gender again: Ähnlich angelegte filmische Rückblicke von Männern auf ihr bisheriges Leben seien immer völlig anders.

Ob es denn im „wirklichen“ Leben der Kiss-Familie(n) wirklich so lustig und harmonisch zugehe? „N-E-I-N, natürlich nicht!“, ruft Marian, nur dieses NieZeitHabenFür…., das gebe es zuviel.