Film

Damenwahl. Szenen aus dem Abendland
von Viola Stephan
DE 1999 | 80 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 23
03.11.1999

Diskussion
Podium: Viola Stephan
Moderation: Alexandra Schneider
Protokoll: Torsten Alisch

Synopse

Fünf Frauen zwischen vierzig und fünfzig Jahren. Sie kennen sich bereits lange und alle sind erfolgreich, jede auf ihre Art. Der Film beobachtet sie bei ihrer Arbeit, in ihren Familien, bei ihren Feiern. Er beschreibt ein Lebensgefühl und wahrt doch das Geheimnis seiner Protagonistinnen.

Protokoll

Alexandra Schneider beschreibt zu Beginn mögliche Kategorisierungen, wie dieser Film gelesen werden konnte: als Gesellschaftsstudie einer bestimmten Schicht, als Generationsporträt von „Frauen in den besten Jahren“ oder als Home-Movie.

Nah & Fern

Viola Stephan hat zuvor gern Dinge & Personen gedreht, die ihr fern/ fremd waren. Viel in Russland & dort viel die „Armut“ gefilmt. Gern Distanz halten, Distanz zu Menschen, sowohl im Leben wie im Film: Ich habe vorher noch nie Leute gedreht, die ich richtig gut kenne.

Aber welche Rolle spiele sie dann selbst in diesem Film? Warum ein „persönlicher“ Film, aber sich dann selbst ganz heraushalten? Erklärungen geben, bitte.

Es sind Freundinnen aus verschiedenen Lebensphasen, denen Viola Stephan unterschiedliche Filmzeit gibt, die aber alle einer „gewissen Humorklasse“ angehören. Sie möchte uns das JETZT zeigen, die Frage stellen, ob das JETZT Resultat einer gewissen WAHL sei, oder ob alles im Leben (dieser Frauen) einfach so passiere, im Leben von Frauen, die den Eindruck erwecken, als wären sie durchaus in der Lage, ihren Lebensweg selbst zu wählen. Selbst-Bestimmung. Der Titel Damenwahl ist Resumée dieser Suche nach Lebenswegen.

Wenn man Kinder-Fotos zeigt (und dazu nicht erzählt was passiert ist), warum zeigt man sie dann? Verstörung im Plenum. Warum werden dem Zuschauer keine Erklärungen gegeben? Warum muss man selbst Schlüsse ziehen?

Die geforderte „Offenlegung“ ihrer Rahmenbedingungen kann/will Viola Stephan sowenig liefern wie theoretische Begründungen ihrer monatelangen Arbeit am Schneidetisch. Manche empfinden das als kokett. Andere sehen diese Diskussion als Doppelung des Films – wie das Leben der Figuren scheint auch dieser Film einfach so passiert/entstanden zu sein. Empörung meldet sich: Wer keine eigenen Entscheidungen trifft, übernimmt auch keine Verantwortung!

Sie würde ihre Protagonistinnen (unbewusst) demontieren, wird beklagt: Warum erfahren wir nicht, was ihnen im Leben wirklich passiert ist? Warum werden sie nie bei der Arbeit gezeigt, oder nie jedenfalls bei ihrer wirklichen Arbeit: Eine Literaturprofessorin, die nur Goethe zitieren kann – das sei doch etwas wenig. Viola Stephan wollte nur Situationen drehen, denen sie auch normalerweise beiwohne: Nicht filmen, um Erklärungen oder ein komplex erscheinendes Bild zu geben, und erst recht nicht redende Gesichter in Großaufnahme.

gender again: „Im ganzen Film werden Männer auf angenehme Art ausgespart, warum nur muss dieser Popanz eines wilhelminischen Männlichkeitstypen am Ende so dominant werden?“, fragt ein Mann. Frauen antworten: „Der ist einfach schön!“, und:

„Das Leit/Leid(?)-Thema des Films ist die Liebe – nicht zum Mann, sondern generell.“

Sind Männer die Ursache,

oder ist das eigene Leben der Frauen für ihre Einsamkeit (im Alter?) verantwortlich?

Manchen gefällt der Film – weil keine Antworten gegeben werden,

und weil es ganz viel um das geht, was nicht gezeigt wird.

Aus einem Alain Resnais-Film wird zitiert:

Haben Sie ihr Leben selbst gewählt? Wenn ja, woher wissen Sie das?

Am Ende erklärt Viola Stephan, dass in vielen Diskussionen zu diesem Film die Argumente für und gegen den Film oft die gleichen seien. Die eigene Wirklichkeit entsteht im eigenen Gehirn – und hier lief scheinbar in jedem Hirn ein eigener Film zum Film.