Protokoll
Die Diskussion über Makom Avoda begann, durch Nurith Avivs Frage, wie man im Deutschen ‚travailleur etrangère‘ benenne, mit Ratlosigkeit. Mit den Begriffen ʻFremdarbeiterʼ (allgemein abgelehnt) und ʻArbeitsmigrantenʼ (im Zusammenhang des Filmes unpassend) konnte keine befriedigende Lösung angeboten werden.
Auf die einleitende Frage Werner Ruzickas, wie die Regisseurin auf den Ort gestoßen sei, deutete Aviv die Brisanz ihres Themas in Zahlen an. „Seit den frühen 80er Jahren ist die Zahl der nicht- israelischen Arbeitnehmer von 5000 auf 300.000 angestiegen.“ Entgegen dem ursprünglich geplanten Filmvorhaben entschied sich die Filmemacherin vorort für die Dreieckskonstellation israelischer Siedler, Palästinenser und thailändischer Landarbeiter, die sie in Moshav Shekef vorgefunden hat. Sie beschrieb ihren Eindruck starker physischer Präsenz der thailändischen Arbeiter, deren Stimmen und Lieder auch aus der Entfernung in Moshav Shekev hörbar sind. Die Kontaktaufnahme mit der landwirtschaftlichen Genossenschaft gestaltete sich anfänglich sehr schwierig, behutsames Vorgehen war notwendig, um kein ablehnendes Verhalten zu provozieren.
Ruzicka bemerkte, daß der Film offen auf das Trauma von Palästinensern und Israelis treffe. Aus dem Publikum wurde „der Wechsel der Protagonisten zwischen privater und ideologischer Ebene“ hervorgehoben sowie die Frage gestellt, ob diese Trennung als ein „kollektives Muß“ verstanden werden müsse.
Aviv verwieß auf die Heterogenität auch innerhalb der beiden Gruppen: „Die Grenze verläuft nicht immer zwischen Israelis und Palästinensern“. Unterschiedliche Standpunkte von Palästinensern und sraelis finden Raum. Der palästinensische Lehrer z.B., der in der Isolation eine Chance für die palästinensische Autonomie sieht, steht anderen Aussagen palästinensischer Landarbeiter gegenüber. In diesem Zusammmenhang strich Ruzicka die starken palästinensischen Positionen der zwei arabischen Frauen heraus. „Hier wird Gemütlichkeit und Versöhnlichkeit aufgebrochen.“ „Der Film entläßt nicht auf die sichere Seite“. Weiterhin hervorgehoben wurden die von „der Kamera gut eingefangenen Orte; „die Kamera wird häufig zum Ansprechpartner der Personen“.
Die „Schwierigkeit des Films, alle Fäden zusammenzuhalten und die unterschiedlichen Personen wieder zusammenzusetzen“ thematisierte Margit Eschenbach. Sie bemängelte, daß bei einigen Personen die Vita zu spät erzählt werde, um Zusammenhänge zu erhellen. Ihre Frage, warum der Gesang der Thailändischen Landarbeiter soviel Raum erhalte und warum nur dieser übersetzt sei, führte zu Fragen nach der Assoziationskraft der Bilder, die eine weitere Dimension der Dokumentation erschlossen. Nurith Aviv erklärte die Bilder der singenden Landarbeiter als stark assoziativ: „Hier werden Erinnerungen an Bilder der Jewish Agency wach. Das Bild des jungen, kräftigen Zionisten, der selber das Land bestellt, der selber Häuser baut“. Der Symbolismus: „wir sind zurück ins Land gekommen um selber mit den Händen zu arbeiten“ werde – in anderer Form wiederaufgenommen – ad absurdum geführt. Das von der Jewish Agency benutzte Bild einer Orangen flückenden Frau, die mit einem Lied auf den Lippen die Arbeit glorifiziert, finde in Makom Avoda seine Entsprechung in der erntenden Thailänderin, die ein Lied von Ausbeutung singt. „Hier wird ein Antibild der 20er Jahre gezeichnet“.
Wenn die Nähe zu filmischen Bildern der Jewish Agency auffiel oder diese zitiert wurde, fragte Samir, warum die Paralellen nicht durch formale Angleichung an eine bekannte Bildsprache herausgearbeitet wurden, bzw. warum keine deutlichere formale ʻAntihaltungʼ gewagt wurde.
Als weiteren zentralen Topos des Films unterstrich Aviv die Sprache als Ausdruck von Differenz. „Die Lieder der thailändischen Arbeiter sind für die israelischen Arbeitgeber unverständlich: „Erst durch meine Übersetzung wurden Inhalte wahrgenommen.“ Andererseits „ist Israel für Thailänder unbekannt und bleibt so“ während der zweijährigen Arbeitszeit. „Sie brauchten meinen Film, um Standpunkte und Gedanken der ʻAnderenʻ wahrnehmen zu können, obwohl es kaum eine räumliche Distanz“ zwischen Israelis, Palästinensern und Thailändern gibt. Aviv erscheint „der Thailänder als der ideale Andere der Israelis, wohingegen die Palästinenser als nicht transparent, als der eigenen Gesellschaft zu nah durch eine gemeinsame Geschichte und Erinnerung“ scheinen. Mit der Frage nach der eigenen Muttersprache an die israelischen Siedler bemüht sich die Filmemacherin „Erinnerungen an die eigene Vergangenheit und die eigene Fremde zu evozieren“. Sprache werde auch durch den palästinensischen Lehrer thematisiert, der Internet und englische Sprache als Möglichkeit schätzt, ʻsein Gefängnis, seine Isolation zu verlassenʼ. Die andere Sprache wird hier zum anderen Ort.
Abseits der inhaltlichen Diskussion schlug Georg Janett bezüglich der Länge des Films vor: „Als klassischer TV-Film 58 Minuten – und mehr nicht“. „Anständige Montage und das Eliminieren von Wiederholungen“ wurden eingefordert und festgestellt, daß „ein interessantes Thema im Überfluß der Information ersäuft“. Janett berichtet, daß er über die Jahre „ein Prinzip Faulheit“, „das zu einer Transformation im Dokumentarfilm „vom visuellen Erleben zu verbalen Informationen“ geführt habe, entdeckt hat: „Erlebt habe ich wenig“ bei diesem Film, so Janett.
Klaus Wildenhahn bedauerte nicht die Länge, sondern die „Unsauberkeiten“ des Films. Auch wenn er die durchgängig, ehrliche und intellektuelle Ebene von Makom Avoda lobte, vermißte er „die sich spontan befreiende Beobachtung, die nur im Dokumentarischen möglich ist“. Eine Kritik auf die die Filmemacherin einging: „vielleicht fehlen Bilder, auf denen kein Text ist“, „vielleicht war ich zu strikt und habe mir selbst nicht genug erlaubt“.
Mit Margit Eschenbachs Feststellung, daß der Film das „traurige Fazit, daß Menschen nicht aus der Geschichte lernen“ zeige, wurde die kontrovers geführte Diskussion beendet.