Film

Hugo Meyer
von Dieter Reifarth, Bert Schmidt
DE 1998 | 30 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 22
1998

Diskussion
Podium: Dieter Reifarth, Bert Schmidt, Rainer Komers (Kamera)
Protokoll: Hilde Hoffmann

Protokoll

Hugo Meyer, Kioskbetreiber aus dem Frankfurter Nord-End – ein ungelöstes Geheimnis. Mit “heiterer, gelassener Trauer” versuchte Podium und Publikum einem Mysterium nachzugehen. Die trauernden Anwohner beschreiben ihn im Film als “Institution, Kommunikationszentrum, Wohnzimmer und Familie”. Das Büdchen – ein Ort sozialer Utopie? Auch für die Autoren blieben die Aussagen “merkwürdig unbefriedigend”. So mutmaßte Bert Schmidt über Hugo Meyer: “Er konnte zuhören, er war Projektionsfläche”.

Rainer Komers beschrieb, daß das Filmen von den Anwohnern als Trauerarbeit empfunden wurde. “Da gehörte jeder dazu, wir auch”. Die öffentliche Trauerstätte, die Auslage des ʻWasserhäuschensʼ, geschmückt mit Kerzen, Blumensträußen und Gedichten schienen Schmidt ein Nachklang auf Lady Diʼs Tod zu sein. Ein Vergleich der von verschiedenen Anwohnern aufgebracht wurde. Eine Art Imitation eines Medienevents, eine neue Form der öffentlichen Trauer.

Die Frage, “was in der Welt bringt jemand dazu, so ein guter Mensch zu sein”, trieb die Filmemacher zu der Familie Hugo Meyers nach Oldenburg. Sie “wollten dem Geheimnis auf die Spur kommen”. An dieser Stelle gingen die Meinungen der sonst so harmonischen Trauergemeinde auseinander. Stimmen aus dem Publikum bedankten sich für den – auf Film gebannten – Familienbesuch, er hätte “biografische Feinheiten nachgereicht” und das Geheimnis erhöht. Andere ärgerte der “nichts Neues bietende Ortswechsel”, der nur zeige, “daß der Rest der Familie auch dick ist, und auch an einem Herzinfarkt sterben” werde. Die Mehrheit “hätte darauf gebaut, an einem Ort zu bleiben”. Dennoch waren sich alle einig: “Ein wunderbarer, bescheidener Film”.

Bei der sich anschließenden Frage, ob ʻder gute Charakterʼ Hugo Meyers schon in der Familie angelegt sei, ging es mit den sonst so ernsthaften Duisburger Filmwochen Besuchern durch: Spekulationen, daß Hugo bei der selben Familie ja auch Massenmörder hätte werden können, oder Vermutungen über eine ʻdunkle Seiteʼ seines Lebens (die vielleicht mit seinem plötzlichen Tod in Zusammenhang stehen könnte?) schwirrten durch den Raum. Hugo eignet sich einfach hervorragend zur Projektionsfläche…

Zurück zu Fernsehthemen, stellte Horst Herz heraus, daß der Film von einem Wertesystem, sozialer Wärme und einer Philosophie ʻfür-andere-da-seinʼ, handele. “Bereiche, die in der Bildermaschine Fernsehen ausgeklammert werden”. Herz konnte sich keinen Sendeplatz vorstelle und auch Werner Ruzicka meinte, man müße sich “heutzutage Sorgen um solche kleinen Produktionen machen”.

Schmidt erklärte, erst bei 3sat angefragt zu haben, nachdem sie spontan angefangen hatten zu filmen – “und wie ein Wunder war es möglich”.

Durch die Videoaufnahme zum Ende des Films, vor Jahren von einem Freund aufgenommen, erweckten die Filmemacher Hugo Meyer noch einmal zum Leben. Hugo Meyer winkt noch einmal für seine Freunde.

“Ich sage nicht was für ein Mensch er war. Er war ein Mensch. Ein Mensch.”