Film

El Periodo Especial
von Lutz Mommartz
DE 1997 | 53 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 21
15.11.1997

Diskussion
Podium: Lutz Mommartz
Moderation: Herbert Schwarze
Protokoll: Judith Keilbach

Protokoll

Lutz Mommartz filmte 1993 bei einer Reise durch Kuba Fidel Castros im Fernsehen übertragene Rede ab, in die er zufällig reingeschaltet hatte. Der Ton dieser Rede läuft in EL PERIODO ESPECIAL durch, teilweise ist er von einer zweiten Tonspur überlagert. Zwischen die abgefilmten Fernsehbilder montiert der Regisseur Bilder von seiner Reise. Er habe, so Lutz Mommartz in der an den Film anschließenden Diskussion, die Kamera eigentlich nur dabei gehabt, um Urlaubsfotos zu machen. Den sich mit der Fernsehübertragung bietenden Zufall, mit dem sich der Film an sich schwer tun würde, habe er dann einfach wahrgenommen und die Rede bis zum Ende „mitgenommen“. Daß er bereit war, sich auf diesen Zufall einzulassen, mache die Leichtigkeit des Filmes aus, so eine Anmerkung aus dem Publikum. Herbert Schwarze findet hingegen die spürbare Körperlichkeit von EL PERIODO ESPECIAL bemerkenswert. Sowohl die körperliche Anstrengung des Filmenden (z.B. die Verkrampfung der Hand) sei beim Betrachten erfahrbar, als auch die der Abgeordneten im Parlament. (Die Fernsehkamera schwenkt ab und zu über Castros Zuhörer und läßt in den Haltungen und Bewegungen den Kampf gegen die Müdigkeit vermuten.) Mommartz führt diese beiden beobachteten Körperzustände zusammen: das Draufhalten der Kamera sei die „richtige Reaktion“ gewesen. In den 53 Minuten, in denen er die Kamera halten und bedienen mußte, so impliziert diese Aussage, habe er sich dem Körperzustand der Abgeordneten angenähert. (Einen ähnlichen Mechanismus könnte man für die Faszination beschreiben, die Castro bei seinen Zuhörern und ,der Kamera‘ auslöst.)

Er habe, so berichtet Mommartz, aus Kuba das Angebot erhalten, dort Filmunterricht zu geben. Da er es jedoch anmaßend gefunden habe, dort ,filmische Entwicklungshilfe‘ (Protokollantinnenworte) zu leisten, sei er nicht darauf eingegangen. Als Tourist habe er sich hingegen in der „richtigen Rolle“ befunden. In seinen Inserts thematisiert Mommartz diese Rolle, indem er typische touristische Blicke einmontiert Stadt-/Straßenansichten, Hotelräume, Musiker im Restaurant, Reiseführer, Mitreisende, Essen. Diese Inserts werden von einigen Diskussionsteilnehmern auch als „wütende Montage“, als Kommentierung der Rede Castres beschrieben. Mommartz lehnt es in diesem Punkt ab, über seine Intentionen zu sprechen. Film sei affirmativ, sagt er, bei der Rezeption von Filmen würde immer auch das Vorwissen der Zuschauer aktiviert (das bspw. dazu führt, den Inserts die Bedeutung einer wütenden Montage zuzuschreiben). Dies in EL PEROIOD ESPECIAL um so mehr, als mit Klischees gearbeitet werde. Allerdings stellten die Inserts auch eine Auflockerung dar. Erst durch das kurzfristige (visuelle) Abrücken würde Castres differenzierte Ausdrucksweise wieder wahrnehmbar werden. Daß dessen Rede nicht untertitelt oder übersetzt ist, halten einige Zuschauer für eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren des Films. „Sonst hätte man sich inhaltlich einlassen müssen.“ Die wenigen Worte, die man aufschnappen könne, würden hingegen nochmals die Klischees anspielen, hätten im Film den Status von Gesten. Ein spanischsprechender Diskutant stört sich hingegen an den Inserts: er könne Castro auch ohne auflockernde Bilder stundenlang zuhören. Mommartz, der den Inhalt der Rede bis heute nicht kennt, erwidert, daß er den Film in dieser Form in spanischsprachigen Länder nicht vorführen würde.

Über die Performance/Show eines Trommlers, die Mommartz als Insert in seinen Film montiert hat, ist sich die Diskussionsrunde einig: hier würden belebende Energie und Impulse spürbar werden. Eine ähnliche Begeisterungsmöglichkeit gehe auch von Castro aus. Zu beobachten ist dies in den Haltungen der Parlamentsabgeordneten, die in bestimmten Phasen von Castros Rede plötzlich anfangen, mit ihren Stühlen zu wippen. Und um diese Impulse sei es ihm gegangen, sagt Mommartz. Damit werde auch der Film als hierarchisches Medium in Frage gestellt: Während in der Regel von der Kamera eine Wirklichkeit geschaffen/behauptet werde, die dann bestimmte Bewegungen auslöst, seien in EL PERIODO ESPECIAL diese Impulse nicht über eine Wahrheits-/Wirklichkeitsinstanz, sondern direkt erfahrbar.

Das Filmmaterial habe er zuerst für nicht brauchbar gehalten, sich mit der Zeit aber immer wieder davon „einfangen“ lassen, bis er sich dann doch entschlossen habe, es zu verwerten. Den Impuls gab die Duisburger Filmwoche im letzen Jahr.

 © Ekko von Schwichow
© Ekko von Schwichow