Film

Der Busenfreund
von Ulrich Seidl
AT 1997 | 60 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 21
10.11.1997

Diskussion
Podium: Ulrich Seidl, René Rupnik (Protagonist), Erich Lackner (Produzent)
Moderation: Sabine Fröhlich
Protokoll: Judith Keilbach

Protokoll

Nicht nur in Ulrich Seidls Film DER BUSENFREUND steht dessen Protagonist Rene Rupnik mit seiner „Phantasiewelt“ im Mittelpunkt; auch die anschließende Diskussion wurde teilweise von Rupniks Philosophie (z.B. der Dokumentarfilm als „kerniges Schwarzbrot“), seinen Erzählungen (z.B. über das Durchsetzungsvermögen seiner Mutter) und metaphernreichen Anspielungen (z.B. das unbehagliche Rechteck der Kamera, die er mit einem BH verhängen Jassen wollte) dominiert. Das Diskussionspublikum dankte ihm die „brillante Performance“ (Ruzicka) mit weiteren Nachfragen zu seinem Gefühlsleben (z.B. warum ihm die Vorführung des Films peinlich war) und auch Seidl lieferte Stichworte, auf die Rupnik freudig einstieg (z.B. bezüglich Rupniks Sammeltrieb).

So gab Seidl gleich die Eingangsfrage zum Verhältnis von Regisseur und Protagonist an Rupnik weiter, der die Situation des Filmemachens als psychoanalytisches Erlebnis schilderte. Die Arbeit des Regisseurs verglich er mit der eines Katalysators: Seidl habe ihn aktiviert, sich zu entblößen. Er habe ihn an frühere Gespräche erinnert und dann aufgefordert, einfach loszureden. Hinterher habe er sich schon gefragt, so Rupnik, „ob das nicht zu kraß war“. Und nachdem er den Film g~sehen hatte, habe er sich gewundert, was Seidl aus ihm rausgeholt habe, „ohne daß ich es gemerkt habe“. Seine im Film geäußerten Ansichten bezeichnete Rupnik als „unterschwellig“, sie seien ihm „rausgerutscht“ und er habe das Gefühl, sich dafür beim Publikum entschuldigen zu müssen. Bereits die Begriffe deuten an, was der Protagonist dem Regisseur attestiert: große psychoanalytische Erfahrung. Dementsprechend fühlt sich Rupnik auch nicht als Schauspieler des Films, vielmehr sei, so Rupnik auf eine Frage aus dem Auditorium. die Person im Film er selbst. Das Wieder-Sehen des Films beschrieb er in der psychoanalytischen Kategorie der Wiederholung, die ihn entsprechend „nervlich berührt“ habe. Indirekt beantwortete auch Seidl im weiteren Verlauf der Diskussion die eingangs von ihm weitergeleitete Frage. indem er seinen Protagonisten vor dem Vorwurf der Frauenfeindlichkeit in Schutz nahm (wobei der Film, so Seidl, durchaus frauenfeindliche Aussagen enthalte) und seinem Gefühl der Nähe zu Rupnik Ausdruck verlieh.

Im Gegensatz zu seinen früheren Filme, in denen er die Personen „benütze“, um ein gesellschaftliches Bild zu zeichnen, habe sich Seidl, so eine Anmerkung von Didi Danquart, in DER BUSENFREUND völlig auf Rupnik konzentriert. Diese Nähe werfe die Frage auf, wo der Widerspruch des Autors bleibe, der sich sonst innerhalb des Films manifestiert habe. (Die Einwände des Auditoriums zu dieser Auslegung von Seidls Werk seien hier ebenso übersprungen wie die zahlreichen Feststellungen, daß der Protagonist mit seinen sexuellen Obsessionen nur einen Tick von dem entfernt sei, was als gesellschaftsfähig gelte, wir uns also alle in ihm wiederfinden könnten.)

Dieser eingeforderte Widerspruch des Autors, so die Meinung einiger Diskutanten, tritt in der Kontrastierung von Rupniks Phantasiewelt mit der/einer Realwelt zu Tage, die im Film durch die beim ihm lebende Mutter mit ihrem „stummen Protest“ (Fröhlich) verkörpert wird. Daß dem Regisseur gerade dieses ‘film-strukturierende Element’ lange vorenthalten wurde, erklärt Rupnik (mit zahlreichen Analogien zu den verhüllten unästhetischen Stellen des weiblichen Körpers) damit, daß er die „miese Welt“ verbergen wollte. Hier wurde in der nächtlichen Diskussion jedoch nicht der Faden aufgenommen und dem Seelenleben des Protagonisten nachgegangen, sondern filmische Aspekte erörtert: Gerade die Gegenüberstellung dieser beiden Welten zeige, daß der Film mehr enthält als nur die Geschichten, die Rupnik zum besten gebe. Vielmehr eröffne Seidl dem Protagonisten einen Raum, durch den er erst zum Akteur werden könne (Ruzicka). Vor allem die Inszenierung der Mutter, die lange Zeit nur als körperlose Stimme, d.h. aus dem Off existiert, wurde von verschiedenen Seiten als „filmästhetisch gelungen“ bezeichnet und mit Hitchcocks PSYCHO verglichen. Gerade an der Präsenz der körperlosen Mutter, die Seidl als wesentlichen Teil seines Konzepts versteht, macht sich nach Ansicht des Regisseurs aber auch ein möglicher Mangel des Films fest, denn dadurch habe er die Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit des Protagonisten beschneiden müssen und ihn beispielsweise auf Aussagen über Busen und den weiblichen Körper reduziert.

Ein schöner Anschluß an den vorangegangenen Film ergab sich durch Rupniks Beschreibung der Reaktionen auf den Film. Passanten würden ihn ansprechen (wobei schon mehrere Männer ihre Zustimmung zu seinen Meinungen geäußert hätten) und Autogramme verlangen. So hat DER BUSENFREUND aus Rene Rupnik eine Berühmtheit gemacht, deren Anforderungen zur Selbstinszenierung er gut und gerne erfüllt.

Die Koketterie von Erich Lackner mit einer 15 Minuten längeren Version des Films, die jedoch nicht zur Primetime im Fernsehen ausgestrahlt werden könne, war allerdings fehl am Platz. Oder reicht eine süffisant in Aussicht gestellte Einstellung vom pinkelnden Rupnik und ein verheißungsvolles „Das-Ist-Ja-Noch-Nicht-Alles…“ in Duisburg schon zur Provokation?