Protokoll
Die schönsten Geschichten schreibt das leben, und ‚Taubenliebe‘ ist eine solche Geschichte, die eigentlich keines Kommentors mehr bedarf, wie Monni Heldt, Taubenzüchter und – neben seinem Bruder Gustav- Protagonist des Films, in der anschließenden Diskussion bemerkte – einer Diskussion, die durch die Anwesenheit authentischer Taubenzüchter zur Fortsetzung des Films zu werden versprach.
Das Publikum, selbst zwar nicht in Aufzucht und Hege der gefiederten Freunde bewandert, zeigte sich erfreut über Bilder, die geradezu zum klassischen Repertoire von Vorstellungen über das Ruhrgebiet gehören. Eigene, meist eher unschöne Erfahrungen mit Flugrotten galt es zu korrigieren: Die Aufnahmen fliegender Tauben in Slow-Motion, das anmutige Kreisen um den heimatlichen Schlag in der täglichen Trainingsphase und intime Einblicke in die Stätten der Balz ließen die Begeisterung der Gehrüder Heldt für die “ brötchenförmige“ Eleganz der kostbaren Sportflieger nachempfinden. Hier scheint das Verhältnis Mensch-Tier noch ungetrübt, einmal abgesehen von bösen Sperbern, die in den edlen Bestand der Zucht immer häufiger Lücken reißen.
‚Taubenliebe‘, so Themas Rothschild, wirke zwar exotisch wie Bilder eines afrikanischen Stammes, aber gleichzeitig könne der Zuschauer sich mit Sympathie hineinfühlen in jene Menschen, die ihr Leben ganz in den Dienst der Taube gestellt haben. Dem Zuschauer des Films fällt hier vielleicht die Geschichte ein, die Gustav Heldt in ‚Taubenliebe‘ erzählt: Ein ehemaliger Kumpel mit 1 00% Staublunge stirbt zehn Tage nach Schließung seines Taubenschlags. Wenn die liebe zum Tier gewissermaßen zum Lebensinhalt wird, Entzug sogar tödliche Folgen haben kann, dann ist dem Thema mit Sachlichkeit und Ernst zu begegnen. So loben Teile des Auditoriums eben jene Sachlichkeit, jenen Ernst, mit denen die Autoren Axel Hofmann und Werner Kubny ihren Film ausgeStattet hoben. ‚Taubenliebe‘ sei erfreulich unsentimental und dennoch warm, hieß es etwa, und daß die Autoren ihren Protogonisten nicht auf die Pelle rückten. Damit entstehe so etwas wie ein Bild von Arbeiterkultur; der Zuschauer erhalte Einblicke in ein soziales Milieu, von denen sich Thomas Rothschild allerdings noch etwas mehr gewünscht hätte. Der bewußt-nüchterne Ton der spärlichen Kommentierung, die schöne, sonore Stimme des Sprechers erinnerte eine Betrachterio allerdings eher an Asbach-Uralt und dies fand sie unangemessen für einen Film, in dem Männer !selten genug, dafür umso schöner) über Gefühle und liebe (allerdings nur zum Tier) sprechen. Die Autoren verteidigten ihre Entscheidung für Bert Hahn als Sprecher: Zum einen sei der Film u.a. für das Fernsehen produziert worden, so daß man auf eine Minimalkommentierung der komplexen Materie Taube nicht verzichten konnte. Zum anderen sollte Bert Hohns tolle und modulationsfähige (Asbach-)Stimme die Nüchternheit des Textes brechen.
An dieser Stelle waren Themen angeschnitten, die die Diskussion lebhafter werden ließen: Gefühle, Männer und Frauen. Die gefühlvolle Beziehung des Tierhalters zur Taube, stehe die nicht im Kontrast zur Professionalität der Taubenzucht, die offensichtlich auch das Töten des Tieres miteinbeziehe? Dem Zuschauer waren vielleicht noch die Ausführungen Manni Heldts zum Thema Taubensuppe im Gedächtnis; Zweifel an der Unbedingtheit der Taubenliebe kamen im Auditorium auf, während die Gebrüder Heldt Mitglieder des Tierschutzvereins im Publikum vermuteten. Ja, Taubenzüchter können über Gefühle reden, Taubenzüchter seien immer so wie sie sind laus dem Auditorium war der Verdacht der Inszenierung geäußert worden), und das Töten gehöre nun einmal zur Taubenzucht, so die Gebrüder Heldt. Was denn die Frauen der Taubenzüchter zu den Iongen Aufenthalten ihrer Männer im Schlag sogen würden? Und warum im Film Frauen so gut wie nicht vorkommen? Ob es überhaupt weibliche Taubenzüchter gebe? Werner Kubny wies darauf hin, daß der Taubensport an sich eine männliche Domäne sei. Er wurde von Thomas Rothschild dahingehend ergänzt, daß dieses Phänomen historisch bedingt sei. Die Gebrüder Heldt wiesen dann auf die Existenz einiger Frauen in der Weh der Taubenzucht hin und betonten, daß die Frau sich für diesen Sport sogar besser eigne, da die Taube die Frau dem Mann als Halter vorziehe. Nun war es aber an der Zeit, noch einmal das Verhältnis der Brüder untereinander zu thematisieren. Der Film hatte ja schon einige Differenzen des sportlich so erfolgreichen Duos angedeutet, die nun in der Diskussion deutlicher werden konnten:
Während Manni die Taube lieber im Schlag hält, favorisiert Gustav die frühestmögliche Setzung des Tieres ins Freie. Wie diese unterschiedlichen Auffassungen letztendlich doch zusammengehen, blieb dem Auditorium unverständlich. Der sportliche Erfolg der Gebrüder Heldt spricht einfach für sich. Verschiedene, z.T. sehr spezielle Fragen, wurden noch an die Taubenzüchter gerichtet, die hier nicht olle wiedergegeben werden können. Eine Diskussion über Doping im Taubensport blieb erstaunlicherweise aus.
Daß die Diskussion weniger Freude bereitete als der Film, log vielleicht an der gelungenen Mischung aus Ernst und Heiterkeit des Films, die nicht ganz so gelungen gemischt auf die Diskussion übersprang. Oder die Mischung aus Taubenzüchtern und Filmleuten in der Diskussion war einfach nicht vollständig kompatibel. Im Schlag wird jedenfalls weiterhin glückliches Gurren zu vernehmen sein.