Film

Parallele Welten
von Oliver Griem
DE 1995 | 87 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 19
07.11.1995

Diskussion
Podium: Oliver Griem
Moderation: Werner Schweizer, Constantin Wulff
Protokoll: Lars Henrik Gass

Protokoll

Ein Film über Südkorea, weniger über die Gegensätze zwischen dem Modernen und dem Traditionellen als über deren sinnliche Gemeinsamkeiten.

Werner Schweizer eröffnet die Diskussion mit der Frage, wie es zu einem Abschlußfilm in Südkorea komme. Griem, lakonisch, er habe eine koreanische Freundin; das habe die Entscheidung erleichtert. Schweizer setzt nach, ob sich denn die Arbeit als „Videoeditor“ nicht sehr stark in diesem Film bemerkbar mache. Griem, wortkarg, dies treffe mit Sicherheit zu. Es habe ursprünglich zwei Geschichten gegeben, die beim Schnitt zunehmend in einen „Fluß“ oder „Mosaiksteinchen“ verwandelt und von musikalischen Ordnungsprinzipien überformt worden seien.

Constantin Wulff versucht, der Diskussion eine Wendung zur Ästhetik zu geben: In der Auswahlkommission sei allgemein lobend der große Spannungsbogen des Films erwähnt worden. Es habe jedoch auch Einwände gegen das etwas dualistische Vorgehen gegeben, eine sozusagen „archaische“ gegen eine „moderne“ Welt zu stellen, so daß es sich vielleicht nur noch um musikalische und gor nicht mehr um inhaltliche Fragen handele, noch dem Motto: Computer versus Schwein. Griem plädiert für die visuelle Ähnlichkeit, die zwischen dem rosa Hemd des Angestellten in der Computerfirma und der Haut des Tieres entstehe. Wulff bleibt ungläubig, ob dies also totsächlich „rein formale“ Kriterien gewesen seien. Schweizer gesteht, auch er habe die Suche nach narrativen und formalen Prinzipien irgendwann während des Filmes aufgegeben; das spreche aber nicht gegen deren Existenz.

Es folgen verschiedene Fragen aus dem Publikum, ob denn die Teilung Deutschlands in einem ebenfalls oder noch geteilten Land wahrgenommen wurde. Nein, abgesehen von dem (nordkoreanischen) Studenten, der in der DDR studiert habe, nicht. Eine weitere Frage betrifft erneut die „Flickenteppich“-Struktur des Films (der Metaphern sind Legionen!). Griem beruft sich auf seine Vorliebe für die Filme von Robert Altman und deren „musikalische“ Mittel. Und damit ist die Diskussion auch schon wieder am Ausgangspunkt angelangt und Constantin Wulff zur Stelle mit der Anmerkung, in Frankreich werde derzeit das „no comment“ im Dokumentarfilm – mit dem auch Griem arbeite – diskutiert als Indiz eines bestimmten Gedächtnisverlustes. Solches wolle er ober gor nicht gegen Griem geltend machen. Er frage lediglich noch dem möglichen Gewinn einer „musikalischen“ Struktur und wolle das einmal kurz an Peter Kubelkas „Afrikareise“ problematisieren, wo es nämlich seiner Ansicht nach sehr wohl eine thematische Spannung einer scheinbar nur musikalischen oder formalistischen Montage gebe (das Motiv des „Raubzuges“). Und er wolle wissen, ob Derartiges auch in diesem Fall zu erwarten stehe. Griem sagt, er habe Verschiedenartigkeiten im scheinbar Identischen zeigen wollen. Eine Frage aus dem Auditorium unterstellt, dies sei ober schon der Blick des Fremden, der da eingreife. Griem: Das ist möglich. Er sei dennoch erstaunt gewesen, daß Leute in Seoul, aber auch Koreaner in Europa in seinem Film Praktiken und Begebenheiten entdeckt haben, die ihnen bislang unbekannt gewesen waren.

Es folgen verschiedene Detailfragen, und Wulff möchte die Diskussion erneut auf die Frage der „Struktur“ zurückbringen; es habe nämlich immer wieder eine Polarisierung des Publikums gegeben hinsichtlich dieses Films, wobei viele sagten, es sei zu banal, eine im Grunde bekannte Opposition zwischen Moderne und Tradition aufzumachen. Er, Wulff, holte aber gerade die sinnliche Dimension dieser Opposition für die große Stärke des Films, d.h. die Farben, Geräusche und Räume wahrnehmbar zu machen und damit die Veränderung der Kommunikation. Ja, für ihn, Griem, klinge das Verschiedene – etwa Heavy-Metal und schamanisch-rituelle Musik – dann doch irgendwie ähnlich. Obschon es verschieden ist, habe er es als Teil oder roten Faden einer Tradition und Nation wahrnehmbar machen wollen. Verschiedene Beiträge im folgenden bestätigen oder verneinen dieses Verfahren. Griem sagt, die beiden Geschichten wirkten sicherlich auch streckenweise redundant; das rühre ober vom Prinzip der Wiederholung selbst her. Wulff hadert noch mit dem Begriff der „Musikalität“ und dem, was es damit, wenn überhaupt, auf sich habe. Griem versucht, das lautmalerisch an Verkehrsgeräuschen zu illustrieren. Und Schweizer kommt zum Ende mit der Auffassung, darin habe er etwas ganz Neues gesehen, eine große Sinnlichkeit und Geduld, die völlig abweiche von dem Prinzip „fremde Länder und Sitten“.