Protokoll
Und das war ja klar: Wollte der Film offensichtlich vermeiden, altbewährte Klischees + altbekannte Faktizitäten über den Osten zu traktieren, indem er diese weder perpetuierte noch demontierte, sondern schlicht ausgespart hat, fand die Diskussion natürlich gerade hier ihren Einsatz. Stichwort ORWO, Assoziationen: Filme von schlechten Eitern, Bitterfeld, Silbersee… warum fiel die ökologische Dimension der WOlfen-Geschichte unter den (Schneide-)Tisch?
Kerstin Stutterheim erklärte die Koinzidenz der Fabrikliquidierung mit dem hundertjährigen Jubiläum des Kinos zum Thema und Interesse des Films. ORiginal WOlfen sei ein Geschichts-Film. Darüberhinaus sei der sogenannte Silbersee lediglich eine stinkende Kloake aus Schwefel und Gelatine und keine krebsverursachende Bedrohung. Niels Bolbrinker nahm dieses Statement zum Anlaß für eine langatmige Verteidigungsrede gegen die verkürzende Synonymisierung von „Osten“ mit „Schutthalde“. Der Osten sei genauso wenig eine einzige Kloake, in der der Sozialismus begraben wurde, wie der Silbersee kein Giftsee, sondern eine blubbernde Blase sei. Der Film sei keine Ikone der Aufklärung. Er wollte sich auch nicht in der SPIEGEL-Strategie des Kloakenjournalismus versuchen, und daß eine Reise durch den Osten Deutschlands kein olfaktorisches Vergnügen sei und Plottenbauten ansichtig mache, wisse doch nun jeder etc., etc.
Das geglückte Zusammentreffen von BRD und ehemaliger DDR in Gestalt des Regie-Duos war Klaus Armbruster Grund zu Themenwechsel und dezidiertem lob: ORiginal WOlfen zeichne sich durch einen hohen Grad an Reflexion aus, mit den erfreulichen Effekten von Brechung, Leichtigkeit und Humor und der dankenswerten Abwesenheit von Wehleidigkeit und Larmoyanz. Ruzicka suchte diesen Detail zu erhärten: Die im Film wunderbar eingefangene Arkonwissenschoft des Emulsierens samt ihres verschmitzten Vertreters mit seinem unvergleichlichen lächeln, die vom Dunkel geschwängerte Arbeitserotik, der die Vernichtung anmutig überdauert hobende Molzirkel mit seiner einleuchtenden Praxis des Abschiednehmens, kurz: die überzeugende Kontamination oll dieser Facetten mache den Film zu einem tollen und lehrreichen Stück Arbeit. Der einzig streitbare Aspekt des Films sei sein Kommentar, der in seinem ein wenig schulmäßigen und distanzierten Gustus der Evidenz der Bilder entgegenzuarbeiten drohe, wogegen sich die Regisseure jedoch verwehrten. Angeregt durch das Stichwort des Emulsierens war die Diskussion auch bis zu ihrem Ende keinem zentralen Thema verpflichtet. Heitere Wortwechsel widmeten sich dem Motiv des Malens im Film, unterbrochen von vergleichenden Studien überKodakund Agfa, was durch eine nochmalige Würdigung des Films durch Ruzicka zum Abschluß kam: Nicht zuletzt sei der Film auch deshalb gut und lehreich, da er Prinzipien des Marktes und Bedingungen der Industrieproduktion – quer durch die Geschichte! – aufzeige.