Film

Kuba Sigrid
von Torsten Schulz
DE 1995 | 55 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 19
07.11.1995

Diskussion
Podium: Torsten Schulz
Moderation: Elke Müller
Protokoll: Christian Steinhauer

Protokoll

Kuba Sigrid: der Titel stößt den Zuschauer auf ein ambivalentes Territorium, eine Insel der Sehnsüchte und Widersprüche. Werden wir einen Film über Kuba sehen, schöne und alphabetisierte Menschen, die den Zusammenbruch einer Utopie verspätet, aber gelassen erleiden, oder sehen wir diese Insel als den Fluchtort einer Ostdeutschen, die vor Jahren einen spießigen, ostdeutschen gegen einen sinnlich-karibischen Sozialismus tauschte? Kuba ist eine Insel der Projektionen gewesen, die Plakate von Che schmückten unzählige WG-Zimmer und mit Blick auf einen eher tristen realen Sozialismus nebenan mußten die Bilder der volkseigenen Insel wie ein Paradies, wie die Synthese des Schönen, Guten und Wahren erscheinen.

Die Destruktion dieser Utopie ist schon Geschichte und Torsten Schulze „Kuba Sigrid“ erzählt diese Geschichte denn auch nicht noch einmal, sondern zeigt das Überleben einer Frau in den Trümmern des Projekts mit Hilfe ihrer eigenen Projektionen. Und die sind nicht immer schön, selten gut und meistens unwahr, noch schlimmer: teilweise erinnern sie an unsere eigenen lächerlichen Versuche, die Unerträglichkeif des Seins durch esoterischen Zauber zu lindern. Daran mag es gelegen hoben, daß sich die Diskussion erst noch dem Hinweis auf den polarisierenden Charakter des Films allmählich polarisierte.

Die Geschichte von Kuba Sigrid wird von Kuba Sigrid erzählt und dieser Erzählerin kann der Zuschauer wenig Sympathie entgegenbringen, changiert ihr Bild doch immer zwischen dem der Überlebenskämpferin, der dissidenten „Rumtreiberin“ einerseits (hier ist das Publikum geneigtL der „Rabenmutter“ und der „Parasitin“ andererseits (hier ist es abgeneigt). Der Film bietet uns wenig Orientierung, wenn wir zwischen den Polen Kuba und Sigrid pendeln, wenn sich unsere eigenen Projektionen auf Kuba richten und dort in ein bedrückendes „Kammerspiel“ gezwungen werden, dessen Protagonisten unkommentiert erscheinen, deren Beziehungen untereinander sich erst allmählich erschließen.

Fehlt es an der orientierenden Stimme des Autors, sehen wir diesen dann auch noch in der Pose des Zauberlehrlings, läßt Kritik nicht Ionge auf sich warten: Schulz habe Frau Sigrid Kuba die Alleineinunterhalterrolle spielen lassen, ihre Familie – und darüberhinaus Kuba – erscheine ausschließlich durch ihre Brille, der Fluchthelfer-Familienernährer- Ehegatte Juan werde kommentarlos in einer Hundeexistenz vorgestellt. Die Darstellung des beinlosen kubanischen Ehegatten als Hund, der darüberhinaus später durch eine Verwechslung mit einem solchen tödlich verunglückt, erregte deutliches Mißfallen, zumal Schulz und seinem Kameramann unterstellt wurde, diese Perspektive der Sigrid Kuba unkritisch zu reproduzieren. Die Entgegnung des Regisseurs, der Kameramann sei eben größer als der Gefilmte gewesen, konnte weniger überzeugen als der Verweis, der Film sei bewußt aus der Perspektive Kuba Sigrids konzipiert worden.

Wer bis dahin glaubte, einen Film über Kuba gesehen zu haben, wurde von Constantin Wulff darauf verwiesen, daß es sich in Wirklichkeit um einen sehr sachlichen Film, ein „schonungsloses Portrait“ der DDR handelt. Wirkte diese Einschätzung zunächst beruhigend (die DDR existiert nicht mehr), so konnte sie das Unbehagen über den ungefilterten, permanenten Redefluß der Kuba Sigrid, ihr „kolonialistisches“ Weitbild nicht mildern. Auch psychologisierende Erklärungshilfen, wie der Hinweis auf die imaginierte autoritäre Mutter und die daher zwanghaft-infantile Tochter, steigerten das Unbehagen statt es zu bannen. So mag der Vorschlag sinnvoll erscheinen, das Kammerspiel Kuba Sigrid an der Schnittstelle von Dokumentation und Horrorfilm anzusiedeln.