Film

Eiserne Engel – Luftrettung in Deutschland
von Thomas Schadt
DE 1995 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 19
11.11.1995

Diskussion
Podium: Thomas Schadt, Reiner Holzemer (Ton, Schnitt), Lutz Aufenacker (Hubschrauber-Pilot)
Moderation: Elke Müller
Protokoll: Christian Steinhauer

Protokoll

Eiserne Engel – eine Dokumentation des Arbeitsalltags von Notärzten, Rettungsassistenten und Piloten- ist ein schon im Fernsehen erfolgreich zu später Stunde gezeigter Film, den wahrscheinlich viele Zuschauer während der Duisburger Filmwoche auch vor dem Hintergrund einer Diskussion um Reality-TV sahen.

Der Film „berühre“, so Elke Müller zur Einleitung, und diese Berührung war sicherlich der Grund für eine unkontroverse Diskussion, in der die Debatte um Reality-TV zwar angesprochen, aber nicht explizit geführt wurde. Lutz Aufenacker, Pilot des Hubschraubers, wies auf die anfänglichen Vorbehalte hin, die das Rettungsteam eben wegen jenes Sensationsjournalismus dem Filmprojekt gegenüber hatte. Thomas Schadt habe aber wegen seiner Offenheit und Ehrlichkeit, dokumentiert auch in seinen früheren Filmen, die Beteiligten überzeugen können, daß Eiserne Engel ein Film ohne jeden Voyerismus werde. Schadt erläuterte seine Motivation: Als Kameramann bewege er sich immer in einer Spannung von Angst und Neugierde. Auch wenn die Kamera immer eine Distanz zum Gefilmten schaffe, habe er sich doch bewußt diesem Thema zugewandt, um seine Schmerzgrenze auszuloten.

Bilder verletzter Patienten wollte Schadt ursprünglich nicht drehen, aber da in extremen Situationen die Kameraperspektive immer beim Arzt bleiben sollte, seien diese Szenen nicht rausgeschnitten worden. Die Frage: Was zeige ich· was nicht? sei die eigentliche Herrausforderung, sowohl beim Drehen als auch beim Schneiden/ gewesen. Was aber wollte Schadt zeigen? Das Ganze sollte es sein: Den Alltag der Eisernen Engel – vom Händewaschen bis zur Herzmassage – wollte Schadt dokumentieren, einen vollständigen Arbeitstag mit dramatischen Einsätzen und langweiligen Wortezeiten gleichermaßen. Eiserne Engel retten nicht nur Menschen, sie schauen auch MTV und schrauben in ihren Freizeiten an ihren Privat-PKWs. Und darüberhinaus wurde vom Publikum die Botschaft gelobt: Eiserne Engel entsprechen ihrer harten Konsistenz durch routinierte Professionalität im Umgang mit Verletzung und Tod, aber sie sind keine perfekten Rettungsengel, sie zeigen Schwächen und Ängste, auch ihr Blutdruck steigt beim Anblick eines Schwerverletzten. Dennoch vermißten einige Diskutanten weitergehende Einblicke in Motivation und Innenleben der Fliegenden Ärzte und Helfer. Eine Zuschauerin fand, die Beziehung zwischen Helfern und Angehörigen von Opfern werde im Film nicht ausreichend thematisiert. Ganz richtig verwies Thomas Schadt darauf, daß eine Dokumentation eben nicht alles zeigen könne, er das Eindringen in Privatsphären bewußt vermieden habe und v.a.: ab einer bestimmten Materialfülle, nach einer bestimmten Anzahl gesehener Unfälle, sei seine Grenze des Zurnutbaren erreicht gewesen. Die letzte, deutlich weniger „zwingende“ Szene des Films zeige das: Aus dem Unfallszenario mit drei toten Kindern entfernt sich die Kamera langsam, ohne das Geschehen zuvor noch en detaileingefangen zu haben.

Auch um die Zumutbarkeitsgrenze des Betrachters nicht zu überschreiten, seien im Film die dramaturgischen Pausen, Interviews und unspektakuläre Alltagsszenen eingebaut worden. Eben jener Wechsel von Ruhe und Aktion verweise, so eine Stimme des Auditoriums, auf die Frage nach der Sinnheftigkeit dieser Art von Hilfe – mögliche Anschlußfragen noch dem Sinn von Eisernen Engeln angesichts des Autowahns wurden angedeutet, (glücklicherweise) ober in dieser Runde nicht diskutiert.