Film

Die letzten Männer
von Ulrich Seidl
AT 1994 | 60 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 19
11.11.1995

Diskussion
Podium: Ulrich Seidl, Eva Roth (Produktion)
Moderation: Werner Schweizer
Protokoll: Christian Steinhauer

Protokoll

Über letzte Männer lacht man nicht, und wer es dennoch tut, ist womöglich selbst einer. Während die letzten Männer im Kinosaal vorgeführt wurden, war deutliches Lachen zu vernehmen – allerdings mit abnehmender Tendenz zum Ende des Films. Ein moralisch heikles Thema – zum lochen aufbereitet? Die Diskussion versprach interessant zu werden.

ln einem einführenden Kurzreferat versuchte Werner Schweizer, Aufbau und Stimmung des Films zusammenzufassen: Die Vorführung der letzten Männer lasse diese wie Exoten erscheinen, eine launige Stimmung habe sich verbreitet, die zunehmend einer gewissen Nachdenklichkeit gewichen sei. Klar gestaltete Bilder, eine geradezu klassische Dramaturgie mit Spannungsbogen und Höhepunkt (Briefszene) befand Schweizer. Karl Schwingenschlögel als Hauptprotagonist sei glaubwürdig in seiner Einsamkeit, seine schrägen Blicke ließen eine „schelmische Komplizenschaft“ mit der Kamera, mit Seidl vermuten (der letzteres nicht bestätigen wollte). Für viele Zuschauer kaum vorstellbar: Schwingenschlögel, „Unschuldig geschiedener“ Kampf- und Hauptschullehrer aus Wien, war kein „fake“, klärten Seid I und Roth auf, er sei ein authentischer Sucher, ein wahrhaft Betroffener.

Findet er auch nicht die Frau, die er sucht, so fanden Seidl/Roth in ihm (und den übrigen letzten Männern) jedenfalls genau das, was sie suchten: Männer, die von Österreichischen Frauen genug haben. Die ‚Letzten Männer‘ also eine self-fullfilling-prophecy, Seidl auf der Suche nach etwas, das er schon konnte oder wußte? Die Rekursivität der Motivation fiel auf, und das Auditorium fragte denn auch: Wozu dann noch einen Film machen? Man verstehe solche Männer eben nicht, daher sein Film als Beitrag eines besseren Verständnisses, so Seidl, der sich auf das gefährliche Feld der Rechtfertigung begeben mußte, da nunmehr Fragen der Authentizität verhandelt wurden. Warum sich europäische Männer ihre Ehefrauen per Katalog aus Asien bestellen, erkläre dieser Film nicht- zumindest nicht über das hinaus, was ohnehin zu vermuten sei, so der Vorwurf. Schweizer sprang zur Seite, verwies auf den dokumentierten Pragmatismus und Rationalismus der Männer einerseits, das gezeigte, wirkliche Bedürfnis nach Liebe und Zuneigung andererseits.

Nichts nützte, weite Teile des Auditoriums stellten den Informationswert weiterhin in Frage, man fühle sich eher an Polt erinnert, nur daß einem bei den ‚Letzten Männern‘ das Lachen im Halse stecken bleibe. Genaugenammen habe Seidl die gefilmten Männer doch nur“ verarschen“ wollen, habe sie wie im Zoo gleichsam als Zombies vorgeführt- der Vorwurf der Arroganz des Filmemachers folgte wenig später. Und vor allem das Frauenbild im Film mißfiel: Die asiatischen Frauen blieben im Film Objekte, der Film reproduziere die Sicht der Männer. Daß eine einzige Österreichische Frau, viel zu kurz und stellvertretend für alle Frauen, die Emanzipation der Frau rechtfertigen müsse, unterstreiche nur diesen Eindruck. Seidl versuchte zu rechtfertigen, es sei ein Film über Männer, die er nicht „verarsche“, sondern ernsthaft in einer Interviewsituation präsentiere. Über asiatische Frauen müsse man einen anderen Film drehen. Seidl, der offenbar die moralisch-authentische Ebene der Diskussion durch seine lakonisch-ernsthaften Antworten nicht verlassen wollte oder konnte, erfuhr Hilfe durch Thomas Rothschild. Wie alle Filme Seidls habe auch dieser eine „echte Handschrift“ und man dürfe auch lochen (auch er hatte gelocht), weil schließlich über herrschaftsausübende Männer gelocht werde. Das „Haider“-Argument Rothschilds unterstützte diese These: ‚Die letzten Männer‘ vor dem Hintergrund der 35-40% Haiderwähler seinen typischer als man glaube, und der Film „außerordentlich informativ“ angesichts des weitverbreiteten Konzepts einer Versorgungsehe. Das Mißtrauen gegen die moralische Integrität des Films konnten diese Hinweise jedoch nicht tilgen, man erkenne weder Motive noch Hintergründe der interviewten Männer, hieß es. Da sich auf dieser Ebene der Diskussion keine freundliche Beurteilung durchzusetzen vermochte, wies Constantin Wulff auf die formalen Qualitäten der Produktion hin: Die ‚Letzten Männer‘ seien kein Psychogramm und auch soziologisch nicht aufzuschlüsseln. Vielmehr müsse man sie als ein auf einen Punkt zugespitztes, arrangiertes Tableau sehen. Seidl arbeite in einem „anderen Genre“, seine Filme seien „melodramatisch“ und „zunehmend abstrakt“. Dies könne einerseits verfälschend wirken, andererseits stelle es eine Offenlegung der Mittel dar. Mit einer Diskussion über Fragen der Authentizität oder Moral („als müsse jeder Portraitierte vor sich selbst geschützt werden“) komme man dem Film nicht näher.

Trotz dieser erhellenden Hinweise zum Ende der Diskussion blieb der Eindruck, daß große Teile des Auditoriums zum Lachen sich lieber gleich einen Polt anschauen, zum Nachdenken aber deutlichere Botschaften bevorzugen.