Film

Rauliens Revier
von Alice Agneskirchner
DE 1994 | 87 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 18
10.11.1994

Diskussion
Podium: Alice Agneskirchner, Marcus Winterbauer (Kamera), Tina Hillmann (Schnitt)
Moderation: Klaus Kreimeier
Protokoll: Antje Ehmann

Protokoll

Wer hätte das gedacht? Vor Jahren kaum vorstellbar: Die Duisburger Filmwoche wird in einem freiwilligen Schulterschluß mit unseren ,Freunden und Helfern‘ – zur Polizeifestung; Diese lächelnde Anmerkung wollte sich Klaus Kreimeier zu Eingang der Diskussion nicht verkneifen. „Raulien’s Revier“ hat es möglich gemacht. Ein kleines, skurriles Highlight der Filmwoche, auf dem die Regisseurin denn auch fröhlich pirouettierte.

Die Idee zum Film flog Agneskirchner inform eines Zeitungsartikels zu, dessen kuriose Schilderung der polizeilichen Vorgänge in Duisburg-Bruckhausen kein Produkt allzu reger Phantasie war, sondern der gesichteten Lage vor Ort entsprach. Auch der Glücksfall des Film-Protagonisten war ein Glücksfall.

Ein Südtiroler Zuschauer, den das Ruhrgebiet des Films „idyllisch“ anmutete, gab das Stichwort, von der die Diskussion in ihrem – man staune – stellenweise gar giftigen Verlauf nicht mehr lassen konnte. Eine Reihe interessierter Kommentierungen versuchte mit einen Reigen schöner Metaphern nämliches Problem des Films zu umkreisen: Das Initialstichwort der „Idylle“ wurde hin und her gewendet, mit Attributen angereichert zur „verkommenen Idylle“, zur „politischen Idylle“ , zum „niedlichen Slum“ unter der Obhut eines „friedlichen Sherrifs“. „Raulien’s Revier“ – oder „der gemütliche Dorfrichter Adam“?

Verzuckert die Nettigkeit des Films das Monströse seines Themas? Handelt es sich hier um eine auf den glatten Streifen gebrachte soziologische Bummelfahrt durch die· auf der Leinwand – ach so interessante Asozialität? Oder macht „Raulien’s Revier“ das den Stadtteil realiter bedrohende, untergründige Brodeln von Gewalt und Brutalität sichtbar?

Hauptkommissar Raulien war vom (erstmals gesehenen) Film höchst angenehem überrascht. Er fand sich selbst, seine oft nervige Kleinarbeit und die dafür tatsächlich exemplarische Kerngeschichte, einfach alles: gut eingefangen. Er bildete zusammen mit der zahlreich anwesenden Duisburger Bevölkerung die Front des uneingeschränkten Ja’s zum Film. So wollte ein Sozialarbeiter des Reviers den Film wie das aufgezeigte Vorgehen Rauliens nicht unterschätzt wissen. Die kleinen Szenen seien mit einer für Außenseiter nicht einzusehenden Problematik aufgeladen. Raulien, so gab ein Kollege zu verstehen, habe durch seine Arbeit schon unzählige Sprengsätze entschärfen können. Idylle hin – Idylle her.

Heran robbt sich eine harsch vorgetrogene Kritik am Film und seiner Regisseurin, die sich in der Kunst geschickten Herumlavierens übte. Eine Bravourleistung des Delegierens von Verantwortung: Die Frage noch der leidlichen Idylle wurde

weitergereicht an den Sozialarbeiter des Reviers!‘ Den Vorwurf der Unverschämtheit – die Bitte eines (ohnehin schon mit halbem Bein im Abgrund stehenden) alkoholisierten Bruckhauseners, die Kamera auszuschalten, nicht respektiert zu haben – sollte doch gefälligst der Kameramann beantworten!! Die gerechte Rettung des Films erfolgte wenn auch durch Dritte:

Ruzicka wußte zu differenzieren, das Ja zum Film zu begründen. Es gehe nicht um das bewegte Bild einer Idylle, sondern um das Aufzeigen einer Konfliktbewältigungsstrategie. Einer Strategie, die das labile System zusammenzuhalten vermag. Der Film bewege sich nicht in Klischees von der „bösen Welt“ und ihrem „guten Weihnachtsonkel“, sondern sei Ergebnis einer gelungen Gratwanderung zwischen Tiefenschärfe und Charmance. Auch Raulien insistiert: es gehe hier um eine „Haltung“ und „Bewußtseinsveränderung“. Dies einzufangen, sei die Stärke des Films. Das letzte Wort hat, als beratende Stütze des Films im Abspann namentlich erwähnt, Volker Koepp: Der Dokumentarfilm sei kein Spender für „Wirklichkeit“ sondern Bildproduktion.

Wünschen wir der Regisseurin auf ihrem weiteren Weg noch viel Glück und die Entlastung einer sie erklärenden Unterstützung freundlicher Mitmenschen … § § §