Protokoll
Die Lobesbekundungen wurden von einem zum nächsten Gesprächsbeitrag weitergereicht, fortgeführt, wiederaufgenommen wie bei einem Staffellauf und das zu Recht. Denn in vielerlei Hinsichten konnte der Film gefallen, bezwingen, belustigen. Ob aus der Perspektive ethnographisch, sprachwissenschaftlich, musikalisch, oder schlicht ‚menschlich‘ interessierter Zuschauer – für jeden gab es eine Handreichung. Die Signifikanz des Films auf einen der genannten Blickwinkel zu reduzieren (so Ruzickas instantan eingebrachtes Veto gegen eine eventuelle Selbstbescheidung der Regisseurin), würde der Dokumentation nicht gerecht.
Im Einzelnen:
Geglückt fand man – gleich zu Beginn – den schönen ins Thema einführenden Dreischritt von Tanz, Atemtechnik und Musik. Ebenso gefielen die Kameraführung, der Schnitt und die spezifische Organisation des Materials/ in dessen „malerischem“ und gut „konstruiertem“ Aufbau man die Handschrift der aus der Bildenden Kunst kommenden Regisseurin gut konturiert fand.
Begrüßt wurde des weiteren die Entscheidung, den Film in Schwarz-Weiß zu drehen. Der Verzicht auf Farbe entspreche sowohl dem (in Farblichkeit nicht übersetzbaren) Archaisch-Magischen der 3000-jährigen Tradition des Launeddas-Spiels als auch dem Charakter Aurelio Porcus, dessen leben sich ja im Sinne des Worts auf der Schlichtheit dreier Bambusröhrchen abspielt. Insofern sei auch die im Film eingeholte, kleine und noch runde Welt, so geschlossen wie der traditionelle Tanz zur Launedda, nicht forciert oder konstruiert. (Selbstredend die kleine Vorgeschichte des ersten Kontakts Rosalie Schweizers zu dem Musiker. Die Regisseurin kam dank einer Fingerkuppe Tigerbalsams zur Ehre einer Lebensretterin: Sie betupfte ihren Protagonisten, der- erstmals seine Insel verlassend -auf der Fahrt zu einem Konzert noch Duisburg vor Aufregung sich sterbend wähnte, mit eben jener Essenz. Aurelios Dank für ihren geglückten Vitalisierungsversuch bekundete sich in dem günstigen Umstand, daß Schweizer daraufhin „alles mit ihm machen konnte“.)
Auch die tragische Komponente des Filmthemas erfuhr eine umsichtige, pathosferne Behandlung. Aurelio, so berichtet Schweizer, sei zusammen mit einem weiteren alten Musiker der letzte Launeddas-Spieler, der noch das gesamte Repertoire der mündlich überlieferten Tradition beherrsche. Da die (als ein potentielles Ende des Films betrachtete) Umarmungsszene Aurelios und seines Schülers prägnant und doch undramatisch daherkam, könne der Film auch als dokumentarisches Exempel gelungenen ‚Abschiednehmens‘ stehen. Zugleich sei „la musica e quattro“ Dokument einer sukzessive aussterbenden Kultur. ln diesem Zusammenhang für besonders erwähnenswert befand man die Begegnung Aurelios mit dem ‚importierten Inder‘. Auf faszinierende Weise spiegeln sich hier die Reize einer mündlichen Kultur bzw. in diesem Kontext einer nicht vernoteten Musik-Kultur. Derartig skurrile, sich gegenseitig übertreffende Kommunikationsangebote über pures Schlagen und Blasen von Rhythmen- wie die Musikszenen insgesamt· seien in ihrer Wirkung einem nicht zu widerstehenden „Saugeffekt“ gleichgekommen.
Abschließend wurde als Gegenstand marginaler Kritik das Ende des Films problematisiert. Die Kontamination von Berggesängen und Meeresglitzern war einigen Zuschauern nicht unbedingt nachvollziehbar. Die Frage, ob die um die Schlußbilder wie herumgelegt wirkenden Aufnahmen des Meers tautologisch oder gar als angeklebtes Symbol einer beschränkten Enge Sardiniens zu werten seien, endete in einem guten Pott.