Film

Ekmek Parasi – Geld für’s Brot
von Serap Berrakkarasu
DE 1994 | 105 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 18
12.11.1994

Diskussion
Podium: Serap Berrakkarasu
Moderation: Werner Schweizer, Dietrich Leder
Protokoll: Peter Rehberg

Protokoll

Die unumgehbare Frage nach der Wirklichkeit der Bilder, dem Verhältnis Fabrikrealität/Filmrealitöt, wird gleich zu Beginn gestellt, damit sie vergessen sein darf. Doch worüber noch reden, bei einem Film der so obsolutely politically correct ist?

Das Publikum sparte sich rücksichtsvollerweise seine Betroffenheitsbescheide und lauschte lieber den Worten der sympathischen Regisseurin. Gottseidank hat die nicht nur einen guten Film gemocht, sondern wußte auch ein paar wirkliche gute Anekdoten zu erzählen: Die westdeutschen Aufseherinnen waren nicht nur dick, wie man sehen konnte, sondern auch noch böse, wie man geahnt hat, und waren natürlich gegen den Film, der oll das zeigt. Doch der Chef der Fischkonserven-Firma Howesko, Herr Kniek, hatte glücklicherweise schon immer eine Hobbyleidenschaft für Super 8- Filme und fühlte sich dem Projekt gleich so verbunden, das jedes Veto seiner Westaufseherinnen sinnlos blieb.

Die Pointe bildete natürlich die Geschichte von Rosie, eine Protogonistin aus Mecklenburg-Vorpommern, die, nochdem sie sich und ihren Mann bei den Nordischen Filmtogen in einem lübecker Kino auf der Leinwand gesehen hatte, die Scheidung einreichte. Jetzt schreibt sie sich Briefe mit der Regisseurin. Toller Film, der das kann, das ist klar.

Die Arbeit in postkapitalistischer Zeit ist hier nicht seriell montiert, wie schon gesehen, sondern dem Ort, der Fischfabrik, sind Lebensgeschichten zugelegt. Und das macht Sinn. Dem Arbeitsprozeß wiederum verpflichtet ist das Verfahren, weil für eiile lübecker Fischfabrik Frauen noch billiger sind als Maschinen. 1400 netto. Erst wenn der Fisch seine Form ändert, bemerkte Leder, ändert sich hier was. Solange gibt es noch Geschichten, hier von Frauen. Dieser Blick erweist sich keinesfalls als nostalgisch, sondern notwendig.

Frei nach Frisch, so Schweizer: wir hatten Arbeitsplötze gerufen und es kamen Menschen. Anders als Maschinen haben die etwas zu erzählen.

Die Kamera ist eine Komplicin der türkischen und ostdeutschen Frauen. Ihre Ausdauer penetriert keine Intimität, wird gesagt. Dokumentarfilm entsteht in den Pausen, spricht Serop Berrokkorasu wissend. Eine Türkin dichtete schön: ich lebe zwischen den Dingen. Hierjetzt fallen Fragen noch leben, Träumen, Tod. Unter der Voraussetzung von Vertrautheit verlieren diese Fragen ihren gewaltsamen Zug. Das glaube ich auch.

Die filmhistorische Bezugnahme kann einmal kurz angespielt werden – oral history. 70er-Jahre-Arbeitswelt-Filme- interessiert aber nicht wirklich heute. Der Schlüssel zum Film, so die Regisseurin, war schlicht aber nicht leicht zu haben: Glück und Naivität.

Traurig bleibt trotz guter Unterhaltung im Kino und danach, wenn man sogen kann, daß das Leben erst abends nach dem Duschen beginnt. Oder: Wir arbeiten für den Tod. Oder: Es gab gar kein Leben.