Film

Blindnis
von Matthias Caduff
DE 1994 | 27 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 18
11.11.1994

Diskussion
Podium: Mattias Caduff
Moderation: Constantin Wulff
Protokoll: Judith Klinger

Protokoll

Schon vor Beginn der Diskussion bemühen sich flüsternde Stimmen im Auditorium, Text-Zitate Autoren zuzuweisen: Diderot? oder war’s Locke? „Blindnis“, erklärt der Regisseur auf die erwartbare Anfrage des Moderators wenig später, sei Max Frisch – „Mein Name sei Gantenbein“ entlehnt: Nicht Blindheit also, sondern Sich-Blind-Stellen, die notorischen Blindheiten der Sehenden und der Bilderproduzenten vornehmlich. Wulff stattet Dank ab für einen weiteren Film, der das Sehen selbst zu seinem Thema mache, ein „Glanzpunkt“, Variationen über (Nicht/s-)Sehen, doch das Publikum verweigert meistenteils die Auskunft darüber, was es gesehen und beim Sehen gedacht hat. Wortkargheit dieses verregneten Tages oder der vorgerückten Stunde oder wie Werner Ruzicka vorschlägt – Bescheidenheit eines kontemplativ gestimmten Publikums? Oder bereitet am Ende doch die Aufgabe Schwierigkeiten, nicht über Gesehenes, sondern vom Sehen selbst zu sprechen? Dabei sind die im Film zitierten Modelle der Wahrnehmung und der Beziehung Mensch/Welt schlicht und klar, Beispiele einer „antiquierten Sichtweise“, sagt Caduff, über die er selbst noch nicht hinausgekommen sei.

Im Zentrum des Films steht ein Geheimnis, das ewig Verlorene, Uneinholbare: Der allererste Blick in die Weh, ungefiltertes Sehen, das der Erinnerung entrissen ist. Verschwundener Mittelpunkt aller Rekonstruktionsversuche, vom Regisseur ersehnt und betrauert, Leerstelle. Schweigen scheint nicht nur der ‚Parallelbegriff im Ton‘ zu sein, sondern das Klima, das einen derart mystischen Fluchtpunkt notwendig umgibt. Man kann immer nur Sehen. Oder Hören. Oder Riechen. Sagt Diderot, sagt Caduff.

Schließlich doch noch zögernde Wortmeldungen des Publikums: literarische Korrespondenzen werden ausgekramt, Vergleiche mit Derek Jarmans „Blue“ gezogen. Thomas Rothschild lobt die Modernität eines Umgangs mit der Zeit im Spiel zwischen Kontinuität und Diskontinuität. Zur Sprache kommt noch: Der komplementäre Gebrauch von Wort und Bild, die Variationen und Möglichkeiten, Raum zu lassen für Stille und Finsternis. Außerdem: Die Substitution der Mutter durch’s flackernde Videobild: da sei eine Spur gelegt und wieder fallengelassen worden, findet einer. Caduff hat dagegen nicht das Kontinuum einer Argumentation zu errichten gesucht, sondern spricht von der Gruppierung einzelner Gesten. Werner Ruzicka fragt noch: „Wessen war die Männerhand, die dem Mädchen die Augen zuhält?“

Caduff: „Das war die Hand meiner Mutter.“