Film

A Car is a Car is a Car
von Günther Hörmann
DE 1994 | 60 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 18
12.11.1994

Diskussion
Podium: Günther Hörmann, Detlef Saurien (Mitarbeit), Roland Barth (Ton, Schnitt)
Moderation: Dietrich Leder
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

Der knappe Sieg der Zuhörerschaft gegens Podium (5:4, n.V. gegen 2:45 Uhr) wurde durch ein äußerst faires Spiel des Sätzeaustauschens gewonnen. Ein Ringen um Formulierungen, Erkenntnisse oder Ansichten, im Sinne von Meinung/Diskurs, wurde schon knapp hinter den Verteidigungslinien abgebrochen. Ein paar Einstellungen aus der Diskussion in Zeitlupenwiederholung:

Es gibt im Film eine Aufnahme aus der Mercedes-Fabrik in Rastatt, die ist in Zeitraffer, und also arbeiten Maschinen plötzlich menschlich und Menschen bewegen sich wie Roboter. Hmm. Hmm.

Die Autofabriken sind die „Kathedralen des 20. Jahrhunderts“. Und die Autos selbst ihre „Ikonen“. Hmm. Hmm. (Ich weiß nicht mehr, wann ich diese warenästhetische Beschreibungen bei Hörmann und kluge das erste Mal gehört/gelesen habe, aber es muß in einem verstaubten Buch aus den 70ern sein.)

Jemandem fiel auf, daß der Film wohl eine gewisse Tiefe hat (das war so gemeint, wie das hier steht, dieses Gefühl der Tiefe, das einen beschleicht, wenn man sich z.B. „Tango“ anguckt, dieses Gefühl, daß da eigentlich was drinstecken müßte oder drinstehen, aber irgendwie findet man’s nicht, und man fegt’s dann weg, und dann hat man ein Gefühl gewisser Tiefe. Oder so ähnlich). Derselbe führte seinen Gedanken dann weiter, daß diese gewisse Tiefe zwar da sei, aber ansonsten wäre das Ganze eher eine nette Form von product placement im Nachmittagsfernsehprogramm.

„Entscheidende Veränderung im sichtbaren Habitus“, hob ich mir noch aufgeschrieben, ober ich weiß nicht mehr, was damit im Film gemeint war, wahrscheinlich die unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse am Fließband der 30er, 70er und 90er Jahre: daß also heutzutage die Verantwortung für funktionierende Produktionsstraßen noch unten verlagert wird (= „post-feudalistisch“) und der Großteil der in der Fabrik Arbeitenden damit beschäftigt ist, diese komplizierte Maschinerie überhaupt in Gang zu halten. Hmm. Hmm.

Die entscheidenden Treffer gelangen Werner Ruzicka durch offensive Kontervorstöße:

Der ganze Film ist ein „schönes Stück Arbeit“, handwerklich sauber gemocht, eine bricolage, eine Bastelei aus verschiedenen Elementen, dagegen kann kein Fernsehtechniker was einwenden, saubere Bilder eben. Die „Ideen“ des Films- oder wie immer man das bezeichnen mag· sind allerdings uralt:

– Etwa, daß das Automobil gern mit politischer Macht inszeniert und präsentiert wird. (Hier war allerdings die Idee sehr schön, die „Nachricht“ vom Kohlbesuch in einer schwäbischen Mercedesfabrik in die Sprachen der Welt zu übersetzen.)

– Oder die warenästhetische Kritik weiblicher Model-Körper auf schlanken Automobilkarossen, verbunden mit einer Keuschheit im Abfilmen dieser lächelnden Visagen, die von jeglicher Geilheit dieser Bilder nichts wissen will. (Ich bin mir nicht sicher, aber sowas wie „schwiemelnd soziologischer Duktus von 70er-Jahre-Bartträgern“ hat jemand ergänzend gesagt.)

– Die hübschen und in Ulm so beliebten Zeitraffer-Aufnahmen, von oben runter auf die Stadt, da kriegt man beim Drehen wohl Potenzgefühle wie im Modelleisenbahnclub.

– Der Film ist voller akademisch abgesicherter Bilder (aus der Gattung des klugen 70er-Jahre-Kulturfilms), die nur noch von der ignoranten Naivität im Umgang mit bunten Computerbildern übertroffen wird (flackernde Billiganimationen, die heutzutage nicht mal mehr als ,Freeware‘ zu erhalten sind).

– Der Film wirft die „Technik“ zurück in einen mythischen Bereich, der uns Menschen unzugänglich ist, statt sie als etwas zukünftig zu bearbeitendes darzustellen. Er macht die Welt durch seine antiquierten „Verfremdungen“ fremder: und unzugänglicher, statt Freude und Hoffnung zur Veränderung zu spenden. Die auf diese Art vorgetragene Kritik an der Automatisierung der Welt ist nur noch rührend (oder anders: nostalgisch, vergangenheitsbezogen, antiquiert, ratlos).

Constantin Wulff gefiel die Sprache der im Film Porträtierten, diese unverständliche Spreche der technischen Abkürzungen (FDW, FDF oder FTS). Hmm. Hmm. Er stellte auch die Frage nach dem Untertitel „Drei Ansichten zum Thema Automobil“: ob der Begriff „Ansicht“ eher im Sinne von „Meinung“ oder eher als „Postkarte aus einer vergangenen Welt“ zu verstehen sei.

Hörmann, Saurien, Barth: Es war ein Staunen, was es so alles gibt, wie perfekt diese Welt funktioniert, trotz allem, scheinbar, aber es geht auch alles zu Ende, und das sind Endzeitphänomene, trotz allem. Die Idee einer filmischen Umsetzung im Stile Jules Vernes. Es war ein Staunen über Fabriken, die jeden Haushalt mit mindestens 3 Autos versorgen könnten, von ganz alleine, ohne Arbeiter, trotz allem, und, scheinbar, die Menschheit also in Autos ersticken könnten. Könnten. Staunen über die Gefahrenquelle der modernen Fabrik. Diese Produkte sind gegen sprachliche Kritik immun, die Produkte haben ja eine solche Überzeugungskraft. Staunen und Wundern und andere Formen finden für ein Thema, daß sie nach eigener Aussage „nicht richtig im Griff hatten“. Die Hoffnung, sowas zeigen zu können. Und die Ideologie der Automobilfirmen besteht aus der Forderung nach „mehr und schneller fahren“, damit nicht noch mehr Leute arbeitslos werden. Trotz allem. Die Hoffnung, so wie man früher die militärische Aufrüstung zeigen konnte, nun die Aufrüstung in der Industrie zeigen zu können. Und der Film soll zu Gedankenausflügen animieren soll.

(Lothar Schuster bemerkte zwischendurch, daß dieser Film die eigentlichen Konflikte völlig außer acht läßt, daß z.B. die Arbeiter diese „Arbeit“ gar nicht mehr wollen und daß sie diese „Arbeit“ auch gar nicht mehr kriegen, weil wir nämlich gar nicht mehr in einer Arbeitswelt, sondern in einer Freizeitgesellschaft leben. Aber da setzte auf dem Podium wieder nur Staunen ein, und „trotz allem“).

Dietrich Leder: Dies war ein weiterer Beitrag zum Automobilkomplex und funktionaler Welt. Hmm. Hmm.