Protokoll
Es plätschert daher. Müdigkeit und Zerfallsgeruch der Sternburg-Brauerei sind unmerklich in die Diskussion hinübergeglitten. Das traurige Ende des Films hat die Diskussionsteilnehmer unweigerlich lethargisiert, so daß es nur noch zu einigen verregneten Besserungsvorschlägen an den Regisseur kommen soll. Auf die noch muntere Frage Elke Müllers, wie ihm das Bier denn geschmeckt habe, antwortet Ulrich Weis mit einem etwas resignativen Verweis auf die durch Braunkohleabbau und Nitratbelastung des Bodens geschmälerte Wasserqualität.
Im fatalistischen Gestus geht es dann weiter; schon während der Dreharbeiten habe das Scheitern der Rettungsaktion der Sternburg-Brauerei in der Luft gelegen. Trotz anfänglich optimistischer Perspektive, so berichtet Ulrich Weis, sei spätestens beim Einschalten des Stuttgarter Hofbräuhauses das Menetekel nahenden Untergangs nicht länger übersehbar gewesen. Einen sonderbaren Gegensatz zu diesem gerechtfertigten Pessimismus, wie überhaupt zu der Sternburger Vergreisungsatmosphäre, habe jedoch das Verhalten des Brauereigeschäftsführers Funk sowie der Belegschaft gebildet. Der Regisseur schildert, wie jene, lange nachdem die Schwelle einer realen Hoffnung bereits überschritten war, eine zwanghafte und trotzige Zuversicht konserviert hätten.
Desweiteren betont der Regisseur mehrfach die an Geständniswut rührende Redeseligkeit des Geschäftsführers, ein Phänomen übrigens, welches sich für Ulrich Weis als symptomatisches Ost-Verhalten erwiesen hat. Im folgenden geht Ulrich Weis auf das Psychogramm des Geschäftsführers Funk ein. Er verweist, einem Einwurf Elke Müllers beipflichtend, auf eine managerhafte Tendenz zur Selbstpräsentation, auf die scheinbar souveräne Aneignung eines kapitalistischen Bewußtseins – welches dann doch durch alte DDR-Diskursfragmente hin und wieder aufgestört wird – und auf das unerschütterliche Vertrauen, welches Funk in den Wirkungskreis der Medien investiert. Dieter Leder präzisiert diese zumeist im Impressionistischen verbleibenden Schilderungen des Regisseurs, indem er sie als – möglicherweise vergeblichen – Lernprozeß, als Verfertigung eines neuen Bewußtseins facettiert.
Jemand aus dem Publikum kritisiert die im Film eingespielte Stimme Kohls, die in einem Film, welcher ja eigentlich gar nicht auf einer politischen Basis operiere, sondern eher philosophisch-ideologische Fragestellungen aufwerfe, fehl am Platze sei. Gleichzeitig hätte er sich eine vertiefende Abstraktion jener nur angedeuteten, in relativer Kontemplation verbleibenden filmischen Erzählweise gewünscht, für ihn hätte der notorische Vorher-Nachher-Vergleich präziser herauspräpariert werden müssen. Gegen diesen Einwand kämpft der sonst kritikempfängliche Ulrich Weis mit der etwas schwachbrüstigen Entschuldigung an, seine häufigen Ost-Aufenthalte hätten die Schärfe des Blicks auf das Neue getrübt und die Perspektive des Außenstehenden applaniert. Ähnlich kurios reagiert der Filmautor auf die vom Publikum problematisierte Unproportionalität der sich zum Ende hin zusammenstauchenden Episoden, wobei das filmische Bonbon der endgültigen Brauereischließung sogar ganz ausgelassen wird. Schlicht und einfach ist die Erklärung: Ulrich Weis hat den Exekutionstermin verpaßt. Und auch Freund Funk konnte aus der Tiefe seiner Niederlage heraus nicht mehr die nötige Motivation aufbringen, noch weiter mit der Kamera zu kokettieren, und hat den freuen Filmautor, in den er darüber hinaus übersteigerte propagandistische Hoffnungen gesetzt hatte, einfach nicht informiert.
Angesprochen auf seine filmende Funk-Vorliebe, welche eine Vernachlässigung der übrigen Brauerei-Belegschaft mit sich ziehe, verweist Ulrich Weis auf Gesichtslosigkeit, Kamerascheu und Redeverweigerung der Arbeiter. Das stumme Bild des sich in Verlegenheit windenden Arbeiters hätte er filmen können (wie Ulrich Weis unprätentiös zugibt), aber da war ja Funk, sein Managercharisma, sein distinguierter Charme, seine public relation-Aspiration…
Das letzte Drittel der Diskussion plätschert· denn zu plätschern aufgehört hat es nie – um die Präsentationsweise des filmischen Materials, welche dem Publikum zu eingleisig, zu funkisch-ungleichgewichtig erscheint. Dieter Leder vermißt eine politische Ebene, auf deren Hintergrund man das filmische Material klarer und pointierter hätte darstellen und einige Punkte mit mehr Tiefgang hätte analysieren können, beispielsweise die Unbeholfenheit der östlichen Bevölkerung im Umgang mit den Massenmedien und den auffallen9en Gegensatz zwischen privater Beredsamkeit und einem eisigen Schweigen in der Öffentlichkeit.
Im schlappen Stil schwanken die letzten Publikumsmeinungen zwischen der Kritik am Fehlen einer analytischen Position, eines klar strukturierten Konzepts und dem lob der chronologischen Präsentationsweise, welche die Kurve von Hoffnung, Ernüchterung und Fall so einfühlsam rekonstruiert. Eine Stimme beklagt die Übergröße Funks, in dessen Schatten die akzidentiellen Schicksale der Brauereiarbeiter verblassen, eine andere sympathisiert mit der sympathischen Darstellung Funks, des letztlich tragisch zwischen CocaCola-Flaschen endenden Funks. Matrizielle Worte des Wohlwollens sowie jene immer schon konstruktiver Kritik plätschern, überlappen sich plätschernd, bis Elke die Diskussion abbricht.