Film

Der geflüsterte Film
von Nina Rippel
DE 1993 | 67 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 17
14.11.1993

Diskussion
Podium: Nina Rippel
Moderation: Dietrich Leder, Elke Müller
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

Die Idee zum Film enstand aus der Überlegung, unterschiedliche Sinneswahrnehmungen in Verbindung zu setzen bzw. sie erst einmal zu isolieren. Was ist, wenn das sehen wegfällt? Nina Rippel weihe nicht die „Welt der Blinden“ erfahrbar machen, sondern das genaue Hinsehen und -hören schärfen. Deshalb auch das geflüsterte im Titel, beim Flüstern herrscht große Konzentration, um es überhaupt wahrnehmen zu können. „Ein Film, der der Konzentration gut tue“, nannte ihn Dietrich Leder. Es gibt keine stringente dramaturgische Ordnung, man muß den Spuren folgen.

Die Aufnahmen aus Kairo bildeten den Hauptpunkt der Diskussion. In dieser (für uns) „fremden Welt“ werden Töne und Geräusche plötzlich sehr wichtig und „den Sehenden neu erfahrbar gemach“. Hier werde deutlich, was für einer „akustischen Umweltverschmutzung“ wir tagtäglich ausgesetzt sind, und: „Es muß nicht ruhig sein, um zu hören.“. Nina Rippe! hat Blinden die Tonspur ihres Filmes während des Schnitts vorgespielt und wurde der Musik wegen kritisiert. Musik unterbricht die Geräuschwahrnehmung.

Anders als die Hafen-Szene om Ende des Films: Hier verstehen wir den gefilmten Vorgang (das Herausschleppen eines großen Frachters aus dem Hafenbecken) erst durch die Abstraktion via die Hand der blinden Frau, auf deren Handfläche jemand die Szenen mit den Fingern nachzeichnet. (Eigentlich wird diese Szene aber nacherzählt, sprachlich erklärt, genau so wie der blinden Frau, aber darauf wurde nicht weiter eingegangen, stattdessen wurde gelobt, daß der Kommentar ein ganz anderer gewesen sei, als man ihn vom Fernsehen her kenne…)

Die -Schwarz-Weiß-Super 8-Aufnahmen wurden teilweise auf experimentelle Art gedreht: Die Kamera vom Auge weggehalten oder sich bei einem Blinden einhaken, seinen Bewegungen folgen. Die Szene am Kaffeetisch ist von Bacvar,einem der Blinden, gedreht worden. Seine Brille übrigens, die er trotz seiner beiden Glasaugen trägt, nannte Nina Rippe! eine „intellektuelle Prothese“, sie gehöre zu seiner Selbstinszenierung. Nicht inszeniert sind dagegen die für die Sehenden atypischen Gesichtsausdrücke von Blinden. Sie versuchen durch diese leicht geneige Kopfhaltung besser zu hören und achten nicht darauf, wie sie von anderen gesehen werden. Diese Gesichtsausdrücke bzw. Kopfhaltungen wurden als „intim“ beschrieben.

Der Versuch einer abschließenden Bemerkung, daß nämlich dieser Film das Motoo der Duisburger Filmwoche „KrisenAugenBlicke“ aufnehme, brach die Diskutantin nach einigen wirren Verwirrungen ab. Hier sei noch einmal darauf hingewiesen, daß auch das Hören von Sprache nicht nur die Ohren beleidigen kann.

 Inge Claßen, Elke Müller v.l. © Ekko von Schwichow
Inge Claßen, Elke Müller v.l. © Ekko von Schwichow