Film

All American Cops – Mit dem Streifenwagen durch die U.S.A.
von Fred Prase
DE 1993 | 112 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 17
13.11.1993

Diskussion
Podium: Fred Prase
Moderation: Petra Katharina Wagner, Klaus Kreimeier
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

Nach dem Motto „Was man nicht verändern kann, sollte man wenigstens beschreiben“ (soll von Fassbinder stammen), machte sich der langjährige Polizist Prase an die Arbeit, sein Weltbild umzusetzen. Zuerst als Fotograf, später als Videomacher. Ihm mißfiel, was Journalisten während seiner Zeit als Polizeibeamter über deren Arbeit verbreiteten. Dieser Film zeigt nun den Alltag der amerikanischen Polizei, wobei das Wort ALL im Titel nicht „alle“ meint, sondern den „durchschnittlichen“ Polizisten. Oberstes Gebot für ihn war, nichts bzw. so wenig wie möglich zu kommentieren,- und er wollte von diesem Grundsatz auch keinesfalls aus Gründen besserer Verständlichkeit abweichen, so in der etwas irritierenden Interview-Sequenz mit der becrackten Prostituierten, die nicht vom diensthabenden Polizeibeamten vernommen, sondern von Prases bestboy befragt wird, einem Bekannten aus Polizeikreisen, der ihm einige Wochen beim Drehen hilfreich zur Seite stand. Zu dieser Sequenz wurde von Urheberechtlicherinnenseite noch kritisch angemerkt, daß nicht ersichtlich wurde, warum sich die Frau vor der Kamera so entblöße: aus Mediengeilheit oder wegen des Honorars (daß sie schlicht und einfach dumm war, können Dokfilmfachexperten scheinbar nicht wahrnehmen). Jemand rief „Vojörismus“ in den Raum, was von Prase begrifflich nicht verstanden wurde, die „Fragerin“ aber auch nicht näher erklären konnte (kurz vor Ende fiel dann nochmal „Schlüssellochkuckerei“). Klaus Kreimeier lehnte diese allgemeine Ebene der Diskussion aber ab.

Eine weitere erklärungsbedürftige Szene schien den Diskutanten die Verhaftung des „Nägers“ auf der Autobahn. Diese Szene soll die methodische Form der Gewalt zeigen, den Rassismus, der via polizeilicher Dienstvorschriften in die Köpfe der Cops eingebaut sei: Ein amerikanischer Polizist kann einen Verhafteten nicht so ohne weiteres wieder laufenlassen, sondern ist verpflichtet, ihn dem Haltrichter vorzuführen. Dem „Näger“ sein Leben wurde wirklich zerstört, weil er später für das Abschleppen des eigenen Wagens aufkommen muß und der Untersuchungshaft wegen eventuell seinen Job verliert. ln Kalifornien wird bei Trunkenheits-Delikten nur die Aussage des verhaftenden Polizeibeamten als Beweismittel anerkannt (die Methoden erstrecken sich dabei von Beinhochheben bis zum Alphabetrückwärtsaufsagen oder 10-bis-Null-Rückwartszählen, Blutabnahmen sind dort jedenfalls verboten). Bei dieser Sequenz hat Prase lange überlegt, ob und wie er sie in den Film reinnehmen soll, weil er individuelle Fehler von Polizeibeamten aus Solidarität nicht zeigen würde, es sich hier aber offensichtlich um einen prinzipiellen Fehler des amerikanischen Polizeisystems handelt: die „coole Form von Gewalt“. Außerdem muß an dieser Stelle betont werden, daß Prase ausdrücklich darum gebeten hoHe, nur wirklich „aktive“ und keine „faulen“ Polizisten begleiten zu dürfen, die es ja auch massenhaft gibt. ***

Kommen wir zum „Näger“ bzw. zum Problem, warum soviele Schwarze im Film gezeigt werden. Dies muß wohl wieder an der fehlenden bzw. falschen Wahrnehmung der von Persönlichkeitsrechtensichverletztfühlendenzuschauerin gelegen haben, denn die vielen Schwarzen im Film sind ja keineswegs nur Täter, sondern fast ebenso oft Opfer von Gewalt. Laut Prase sind 90% aller Kriminellen in den USA „Näger“, aber mit der gleichen Prozentzahl liegen sie auch an der Spitze der Opferliste von Gewalttaten. ln den amerikanischen Städten herrschen Verhältnisse, die nicht mehr „2. Weit“ zu nennen sind, ein schleichender Bürgerkrieg macht die USA last zum gewalttätigsten Land der Welt, was allerdings in den deutschen Medien bisher nicht vorkommt. Gewalt als legitimes Mittel der Auseinandersetzung ist in Amerika gesellschaftlich schon last anerkannt, also bald auch in Europa.

Die auf dem Persönlichkeitsrechtbeharrenden ließen aber noch nicht locker (eine Frau hatte wirklich Magenschmerzen!): Ob die Polizeidienstlichbehandelten denn gefragt worden wären, ob· Prase sie filmen dürfe ? Nein, weil erstens hat er bei seiner Arbeit an einem Fotobuch zwei von drei Jahren für diese urheberrechtliehen Persönlichkeitsrechte geopfert, aber zweitens hat er aufgehört zu filmen, wenn sich die Gefilmten dagegen gewehrt haben, und drittens „bemerken Menschen in Konfliktsituationen eine Kamera nicht“.

Zwischendurch wurde noch der lebensrettende Tip gegeben, wie man sich bei einer Verhaftung zu verhalten habe: Keineswegs – wie von einem schon mehrmals wegen Trunkenheit Angehaltenem geraten wurde – schnell aussteigen und freundlich auf die Polizisten zugehen (Prase: „Lebensgefährlich!“), sondern Arme aufs Lenkrad und ruhig sitzen bleiben! Weitere Ausführungen Prases zur unterschiedlichen Polizeiausbildung in Deutschland und Amerika sowie der unterschiedlichen Bezahlung und dem damit verbundenen Ansehen dieses Berufstands folgten.

Gelobt wurde die große Qualität dieses Films, die darin besteht, die alltägliche Gewalt und den normalen Horror last lakonisch zu zeigen. Jemand bezeichnete ihn als den „härtesten“ Film dieses Festivals. Die schon oft erwähnten Persönlichkeits… warfen ihm Reality-TV-Qualitäten vor.

Zum Schluß hatte Moderatorin Wagner noch Fragen:

– zum Drehverhältnis? 70 Stunden Rohmaterial, von dem allerdings ein Großteil

wegfiel, weil diese zusätzlichen Geschichten mittendrin abbrachen oder eine andere nur wiederholten;

– zum Cutter des Films? Themas Giefer, dem Prase einen wichtigen Anteil an diesem Film bescheinigte.

*** Der Protokollant wollte spätestens an dieser Stelle anmerken, daß ihm der Film außerordentlich gut gefallen hat, aber hier hätte dann auch Bezug genommen werden müssen auf die Beschreibungen von Krimiautoren wie Wombough oder James Ellroy (erschienen bei Heyne und Uffstein), die Prose aus urheberrechtliehen Gründen zumindest als Ideenlieferant im Abspann hätte erwähnen sollen.