Film

Von wegen
von Christoph Doering
DE 1991 | 72 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 15
15.11.1991

Diskussion
Podium: Christoph Doering, Hartmut Fittkau (Buch), uva.
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

Während am Freitagabend im Vorraum Protokolle zerrissen, versteckt und umgeschrieben werden , sitzt der nervös-zuckende Rollstuhlfahrer diesmal wirklich im Saal und lacht über all die Sensibelchen, die von Doerings aggressivem Streifen aus dem Kino getrieben werden – „weil ihnen der Film körperliche (!) Schmerzen bereitet“! Unglaublich, denkt der Krüppel, diese Betroffenheitsmafiosi wollen solche wie mich auf der Leinwand zucken sehen, reden über falsche Blicke und machen moralisch einwandfreie Bilder, aber wenn dann ein Film endlich auch mich zum Lachen bringt, frönen sie nur ihren gekränkten Eitelkeiten.

WARUM WURDEN WIR HIER OBERHAUPT EINGELADEN?, will Christoph Doering wissen, ETWA WEGEN DER FLIEGE, DIE WIR IN GROSSAUFNAHME ZERMATSCHT HABEN ?

Ein Verantwortlicher behält die Fassung und erklärt, er könne in Doerings Film. durchaus ~ zwischen guten und schlechten Kalauern differenzieren. Dieser Film sei hier in Duisburg, weil die Verwendung der Bilder & Töne endlich mal ein sinnliches Erlebnis zulasse. Da werde mit Effekten wie Auf- & Abblendungen, rotierender Kamera, grellbunten Bildern & kargen Schwarz-Weiß-Passagen gespielt, die jeden Fernsehtechniker zur Verzweifelung brächten, aber immer finde sich dafür eine Begründung, sodaß schließlich alles zu einer Geschichte zusammenfließe.

Bin anwesender DEFA-Kameramann findet diesen Film „befreiend heiter“, etwa wenn die Kamera auf die Motorhaube eines PKWs gebastelt wird und sie wegen der zu schwachen Autobatterie beim Rumpeln des Anlassers ihren Geist fast aufgibt: Dieser visuelle Reichtum bei kärglichsten Mitteln sei beeindruckend. ·

Wie kommt Jemand a~f solche Ideen?, fragt sich der Rollstuhlfahrer. Die Geschichte ihres Films gehe bis 1984 zurück, erzählen Doering und Fittkau, als sie ihr exzessives Berliner Nachtleben (Drogen, Nusik, „Notorische Reflexe“ – das lustvolle Ausleben des Diletantismus) durch den asketischen Versuch des Mönch-Daseins ersetzten, um ihre überdrehten Sinne neu zu ordnen. Sie legten das Gelübde ab (Armut, Keuschheit, Gehorsam) und bettelten fortan· 5 Wochen im ehemaligen Zonenrandgebiet zwischen Helmstedt und Hamburg. Nach einer langen Zeit des work-in-progress sei später die Figur des Pay-TV-Brillenvertreters dazugekommen, als Kontrast zum Bettelmönchdasein.

Auch wenn manches an diesem Film, wie stellenweise die Inszenierung oder das zu klassische Ende die Beteiligten nicht völlig befriedigte, wollen sie in Zukunft dies aufregende visuelle Spiel in weiteren Projekten fortsetzen.

Da zog plötzlich der Rollstuhlfahrer eine Super-8-Kamera aus der Tasche und beschloß einen Film aus der Perspektive seines zuckenden Schenkels zu drehen: „Wie ich meine herzensgute Pflegerin vom Balkon stieß.“