Film

… und andere Ergüsse
von Mirjam Quinte, Juliane Gissler
DE 1991 | 56 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 15
15.11.1991

Diskussion
Podium: Juliane Gissler, Miriam Quinte
Moderation: Klaus Kreimeier
Protokoll: Eva Hohenberger

Protokoll

Zur Entstehung

Das Material des Films entstand im Rahmen einer 3/4jährigen Recherche für den Spielfilm „Daedalus“. In Europa und den USA wurde die „Avantgarde der neuen Technologien“, die Spitzenwissenschaftler befragt. Während die Wissenschaftler in Europa dem Team gegenüber vorsichtiger waren, hatten die Amerikaner weniger Schau vor Öffentlichkeit, was zum einen auf ihren ungebrochenen Zukunftsglauben und zum anderen auf die fehlende öffentliche Kritik an ihrem Tun zurückgeführt wurde. Die Interviews wurden gemeinsam vorbereitet, die Fragen abgesprochen, aber von einem Arzt durchgeführt, der leichter Zugang zu den Wissenschaftlern fand. Insgesamt standen 45 Stunden Material zur Verfügung.

Zur Ordnung des Materials

Klaus Kreimeier nannte den Film im positiven Sinne einen „Tendenzfilm mit agitatorischen Elementen“. Die Form der Argumentation, in der die Haltung der Filmemacherinnen Gestalt annimmt, zeigt sich vor allem in den ironisch-kommentierenden Zwischenteilen, in der Kameraführung bei den Interviews und in der Zitierung von Paracelsus und Platon.

Es wurde gefragt, ob die Zwischenteile notwendig waren oder ob sich die Wissenschaftler in ihrem Reden nicht selbst entlarvten, andererseits war einleuchtend, daß die Filmemacherinnen ihrem Unwillen gegen die Äußerungen Ausdruck verleihen wollten. Der Einwand war den Filmemacherinnen nicht neu, sie finden es aber nach wie vor richtig, auch ihre eigenen Gedanken und Assoziationen zum Gesagten in Bilder zu fassen, zudem seien diese Einlassungen auch witzig. Die Mischung aus relativ langen Redepassagen der Wissenschaftler, in denen sie ungestört ihre Gedanken entwickeln können, und den kommentierenden Zwischenteilen wurde allgemein für gut befunden; der Film sei informativ, er zeige den neuesten Stand der Gentechnologie, und er zeichne sich durch seine „ernsthafte Respektlosigkeit“ in der Form aus.

Geteilter waren die Meinungen über die Art der Kameraführung bei den Intervielws. Dem Zuschauer würde durch die Cadrierung schon gleich vorgegeben, wie er die folgende Rede zu finden habe und er könne deshalb nicht mehr überrascht werden. Andere Zuschauer sahen die Wissenschaftler als vorgeführte Monster oder zumindest der· Lächerlichkeit preisgegeben. Daß die Wissenschaftler teilweise dumm erscheinen, läge auch daran, daß sie unsicher werden, wenn sie nicht ausschließlich zu ihrem Fachgebiet befragt würden, aber insgesamt, so Juliane Gissler, kämen sie nicht so schlecht weg, sie jedenfalls sei von ihnen auch immer „eine Ecke gerührt“ gewesen. Kamerafrau Miriam Quinte sagte, sie wolle auch in Zukunft ihre Haltung gegenüber dem Gezeigten in der Kameraführung deutlich machen. Daß Wissenschaftler sich durch den Film angegriffen fühlten (und eine Vorführung im Max Planck-Institut in Freiburg bestätigt das), sei, so ein Zuschauer, kein moralisches Problem, sondern ein gesellschaftliches. Die Institution Wissenschaft schaffe ihnen einen Elfenbeinturm, in dem sie soziale Probleme ihrer Forschung ausklammern könnten.

Schwieriger als die Benennung und (durchweg positive) Einschätzung der „agitatarischen Elemente“ war die Bestimmung der Haltung zur Gentechnologie insgesamt. Die vom Film durchaus unterhaltsam betriebene Polarisierung und das Feindbild der Wissenschaftler greife doch wohl zu kurz: zum einen sei ja gerade unter Filmemachern eine ähnliche Fortschrittsbegeisterung zu spüren, wenn sie sich über neue Kameras beugten, zum anderen verdanke sich die ganze Filmtechnik dem kritisierten naturwissenschaftlichen Denken und schließlich habe die Gentechnologie vielleicht auch gute Seiten, wenn sie helfe, Krankheiten wie Krebs oder Aids zu heilen. Nicht die Haltung der Wissenschaftler sei problematisch, sondern unsere eigene Haltung den Naturwissenschaften gegenüber und schließlich könne man das naturwissenschaftliche Denken auch nicht insgesamt an einem Teilbereich wie der Gentechnologie alleine kritisieren, was die Zitate von Paracelsus und Platon aber nahelegten.

Die Filmemacherinnen betonten, sie wollten keineswegs eine „Verbotsstimmung“ gegenüber der Gentechnologie verbreiten, ihr Blick sei lächelnd, aber nicht unbedingt der Lächerlichkeit preisgebend. Zudem sei es ihnen nicht um die Frage Gentechnologie pro und contra gegangen, sondern um die Wissenschaftler und ihre Motivationen. Auch hätten sie keine wissenschaftshistorische Ableitung. mit den Zitaten geben wollen – der Rückgriff auf Platon sei vor allem aus zwei Gründen erfolgt: zum einen weil sich schon hier die Idee finde, der Mensch sei verbesserungsbedürftig und zum anderen wegen der Vorstellung von Wissenschaft als Männersache, ihre Herangehensweise sei ja auch geschlechtsspezifisch.

Da im Film nur zu Beginn eine Ärztin (?) vorgekommen sei, wurde das Fehlen weiterer Frauen moniert, auch wurde gefragt, ob zur Reproduktion besonders intelligenter Menschen der Samen von Nobelpreisträgern ausreiche oder ob auch besonders intelligente Frauen dazu gebraucht würden. (Werden sie, werden sie). Das Geschlechterverhältnis im Film entspricht dem Geschlechterverhältnis in der Realität, Spitzenwissenschaftlerinnen in der Genforschung seien selten. Es könnte aber sein, so die Filmemacherinnen, daß manche Fragen nicht gestellt worden sind, weil ein Mann gefragt hat – einer Frau wäre vielleicht spontan noch eine andere Frage eingefallen. Eine Zuschauerin fand es unabhängig von der Statistik richtig, daß so wenig Frauen vorkommen, weil die Frau ja auch für die Wissenschaftler nicht anders denn als Objekt vorkommt und die Forschung zudem dahinginge, die Frau selbst als „Gebärmutter“ noch überflüssig zu machen.

 Miriam Quinte, Juliane Gissler v.l. © Ekko von Schwichow
Miriam Quinte, Juliane Gissler v.l. © Ekko von Schwichow