Film

Männer im Ring
von Erich Langjahr
CH 1990 | 76 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 15
14.11.1991

Diskussion
Podium: Erich Langjahr
Moderation: Christa Blümlinger, Klaus Kreimeier
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

Die BILDERBUCHmäßige Form des Films (Vorbereitung & Aufbau / Ritual & Entscheidung / Reaktionen am Stammtisch) wird modellhaft seinem Inhalt gerecht. Das Modellhafte ist Bild geworden, sogar die Häuser wirken wie aus dem Modellbaukasten „Saubere Schweiz“. Die Farben im Film sind in ein merkwürdiges Grau getaucht, sodaß jegliche folkloristische Wirkung vermieden wird. Die Straße durchschneidet dieses ästhetische Modell im Bild wie im Ton. Die Schweizer Urdemokratie (lt. Meinung der Österreichischen Moderatorin ein Produkt der protestantischen Kultur, während unsere Schweizerische Protokoll-Kollegin dies lapidar mit dem Vorhandensein der Urdemokratie schon vor der Reformation und in vielen Teilen der bis heute nichtreformierten Welt widerlegt), also diese Verbindung von Religion und Politik im Ritual wird durch die Gestaltung des Films zum Relikt.

„Männer im Ring“ beweist, daß der Dokumentarfilm mit Zirkus & großen Gesten & Thaetralik zu tun haben darf, wenn er im Kino Erfolg haben will.

Einem Alt-Aktivisten aus der Videobewegung kam die Kritik an dieser doch sehr fragwürdigen Form von Demokratie zu sanft daher: Ob es in der betreffenden Region denn keine radikaleren Gegenstimmen gegeben hätte, die im Film hätten reden können?

Erich Langjahr aber will dem Zuschauer ein ERLEBNIS bieten, über das man nachdenken kann und das sich im Kopf des Zuschauers fortsetzt, statt radikale Bauchredner für‘s gute linke Gewissen zu präsentieren.

Die IDENTITÄTSKRISE der jungen Appenzeller ist viel größer und polarisierter als allgemeine Studien über das Wahlverhalten in der Gesamtschweiz vermuten lassen. Während die Älteren die selbstbeschlossene Zusammenlegung von Vater- und Muttertag gelassen kommentieren, zeigen sich die Jüngeren am Stammtisch geradezu erbost über die Abschaffung eines hinterwäldlerischen Anachronismus (Bundesgerichtsbeschluß von 1981). Dies hängt mit der spezifischen Situation dieses ländlichsten Kantons der Schweiz zusammen, wo die Dorfkneipe zwar HARMONIE heißt, aber das Fehlen von Arbeitsplätzen die jüngeren Erwerbswilligen zur Auswanderung zwingt, die nun ihrerseits beim Wochenendbesuch in der HARMONIE von der guten alten Zeit schwärmen, während die noch ansässigen älteren Bewohner der Realität ins Auge blicken und ihre Kramläden aus wirtschaftlichen Gründen schließen. Statt diese IDENTITÄTSKRISE einfach als “reaktionär“ abzutun, wäre zu überlegen, ob nicht auch die so gern als „rechtsradikal“ titulierten Jugendlichen im gerade vom sozialistischen Anachronismus befreiten Osten Deutschlands aus ähnlichen Gründen ihre generalstammtischmäßigen Anschläge planen und ausführen. In der Wir-sind-das-Volk- Hauptstadt Laibbzisch wurde im Anschluß an eine Vorführung dieses Films allen Ernstes gefragt, ob die Massenszenen für den Film inszeniert gewesen seien!

Fa & AntiFa: Sehr schön auch wieder der Beitrag eines marxistischgeschulten AntiFa-Mitdiskutanten, dem ausgehend von diesem demokratischen Massenauflauf in einem schweizer Bergtal eine Asso-Kette zu „Nazi-Aufmärschen“ & „Nürnberger Reichsparteitag“ & „faschistischen Männerbünden“ gelang. Schon am Mittwochabend hatte jener AntiFa währe und der Diskussion um das Aggressions-Abbau-Produkt einer wendländischen Selbsterfahrungsfilmkommune ein aufrechtes Bekenntnis abgeliefert: Vor seiner marxistisch-leninistischen Bildungsphase (die ML-Wälzer waren Anfang der 60er im bösen Westen noch zu wenig verbreitet) sei auch er begeistert der Raumfahrt verfallen, der kommunistischen natürlich! Woraufhin ein weiterer aufrechter Linker einwarf: Juri Gagarin sei doch geradezu ihr Idol gewesen!

Solche Bekenntnisse bildeten leider bisher die unterhaltsamsten Höhepunkte des diesjährigen Duisburger Diskussionsrituals.

P.S. Der Film „Männer im Ring“ lief AUSSER KONKURRENZ. (Inoffizielle Mitteilung der Jury der deutschen AG Filmjournalisten)