Film

Freiheit stirbt mit Sicherheit
von Horst Herz
DE 1991 | 90 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 15
14.11.1991

Diskussion
Podium: Horst Herz
Moderation: Didi Danquart, Karl Saurer
Protokoll: Reinhard Lüke

Protokoll

Didi Danquart eröffnete die Diskussion mit der kecken Frage an den Filmemacher, warum er die Zuschauer Anfang der 90er nocheinmal in die 70er zurückführe. Horst Herz beschrieb den Ansatzpunkt seines Filmes mit diversen Sicherheitsgesetzen, die Mitte der 80er verabschiedet worden seien, wie beispielsweise jenes ZAG-Gesetz, das die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Geheimdiensten ermögliche. Damit seien ja auch immer politische, soziale und ökonomische Ausgrenzungen verbunden, die er mit seinem Film habe deutlich machen wollen. Aber eigentlich sei die Gesetzgebung eine noch viel komplexere Materie, da viele zunächst abgelehnte Entwürfe später in etwas modifizierter Form wieder auftauchten.

Karl Saurer äußerte Erstaunen, daß sich eine Fernsehanstalt an der Produktion dieses Films beteiligt habe. (Unerhörter Zwischenruf: „Impliziert die Frage, daß der Film subversiv ist?) Horst Herz: Die Geldbeschaffung sei schon ein großes Problem gewesen. 70% habe er schließlich vom Filmbüro NW bekommen; daß der WDR am Ende doch noch mitgemacht habe, sei wohl mehr dem Zufall, wenn nicht gar einem Versehen zu schulden. Karl Saurer, der dem Film attestierte, eine Gegenöffentlichkeit mit historischer Aufarbeitung und der Vernetzung von Informationen zu verbinden, monierte allerdings eine gewisse Laschheit an einigen Punkten. So habe er sich beispielsweise im Zusammenhang mit Robert Jungks Relativierung des Gewalt-Begriffs eine schärfe Auseinandersetzung gewünscht. Mit seiner Antwort, daß ihn die Gewaltdiskussion eigentlich nicht mehr interessiere, löste Horst Herz denn doch ziemliches Befremden aus. Didi Danquart: „Aber darum geht es in dem Film 1 1/2 Stunden oder doch fast 90 Minuten lang!“ Dem pflichtete der Regisseur durchaus bei. Nur habe er da mit dem Film keine Antworten geben wollen. Das müsse jeder für sich selbst entscheiden…

Daraufhin machte ein Zuschauer (war’s der Zwischenrufer?) seinem Ärger Luft: der Film illustriere lediglich komplexe Strukturen mit simplen Bildern, die der Sache in keiner Weise gerecht würden. Auch andere Teilnehmer fühlten sich an „alte Bewegungsfilme“ erinnert. Pepe Danquart verglich das Ganze mit einem „Alternativ-Tourismus“, wo anschließend alle das Gefühl hätten, einen ungeheuer politischen Urlaub verbracht zu haben. Simplifizierungen wie Kravattenträger = böse seien nunmal nicht sonderlich erhellend. Zudem setze der Film zu viele Insiderinformationen, wie beispielsweise in der Szene mit der „Phantom der Oper“-Premiere, voraus. Horst Herz:
In den Auseinandersetzungen um das Flora-Theater werde doch die Dimension der sozialen Ausgrenzung deutlich. Darum habe er die Szene im Film haben wollen.

Rebecca Harms, die im Film interviewt wird, zeigte sich mit dessen Form nicht ganz glücklich. Sie habe etwas andere Erwartungen gehabt. So erinnere er sie nur an ein ständiges „Steckenbleiben“, ohne daß die Probleme konkretisiert würden. Ein Zuschauer war sich über die Verwendung der Musik nicht ganz im klaren. Da werde ja oft mit schlichten Symbolen und Verdoppelungen gearbeitet („Street Fighting Man“ zu Demonstrations-Szenen) Ob das ironisch gemeint gewesen sei? Nein; nein, so Horst Herz, aber die Montage habe er natürlich nach seinem subjektiven Empfinden gemacht. Da habe er sich als Filmemacher eingebracht. Die Musikauswahl sei nicht völlig bewußt gemacht worden. Da habe er auch auf sein Gefühl vertraut, indem er bei machen Szenen einfach gemerkt habe, daß die Musik da passen könnte. Aber es sei natürlich klar, daß das jeder anders empfinde…

Schließlich verteidigte ein Zuschauer den Films gegen so ziemlich alle Vorwürfe, die im Laufe der Diskussion gegen ihn erhoben worden waren. Das Montageprinzip sei durchaus wirkungsvoll; der Versuch auf die Art Zusammenhänge herzustellen, müsse legitim sein. Auch mit jenen angeblichen „Klischee-Bildern“ habe er keine Probleme. Das mit den Kravatten-Trägern sei keineswegs überholt. Bei einer einzelnen Person könne das viel leicht problematisch werden, aber wenn sie derart massenhaft auftauchten, wie in der Szene der Aktionärsversammlung und man das dann mit Bildern der Armut kontrastiere, komme da ein Stück Radikalität zum Ausdruck, die heute nötiger denn je sei…

 © Ekko von Schwichow
© Ekko von Schwichow