Film

Good News: Von Kolporteuren, toten Hunden und anderen Wienern
von Michael Glawogger
AT 1990 | 126 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 14
14.11.1990

Diskussion
Podium: Michael Glawogger
Moderation: Didi Danquart
Protokoll: Torsten Alisch

Protokoll

Moralische Entrüstung macht sich nach solchen Filmen immer gut: Tränendrüsendrücker stehen auf und rufen: „Menschenverachtend!“ Oder: „Respektlosigkeit!“ Oder irgendwas anderes. Hauptsache: sich empören. Gut sein. Schlechtes Gewissen zeigen. Grenzen ziehen („Das geht zu weit!“ usw.)

Klaus Kreimeier (neben einigen anderen) sah diese Reaktionen als voraussehbar an: Die Verwendung solcher ungeprüften Begriffe ist aber nichts anderes als die Forderung nach einem Bilderverbot. Die Wurzel dieses Zensur-Wunsches liege in der Angst: Angst, so zu enden wie diese Kreaturen im Krankenhaus. Dahinzuvegetieren. Mund offen und Gehirn weg. „Für den Dokumentarfilm sollten endlich auch die gleichen Kriterien gelten wie für andere Gebiete der Kunst“ (Kreimeier).

Diskutiert wurde über die eigene Empfindlichkeit, über die „Liebe zu Menschen“, über das Mitleid zu Leuten aus der Dritten Welt („Wieso spüre ich die Liebe zu den Kolporteuren, aber nicht zu den Spießern und Kranken?“)

Es musste erklärt werden. daß man Leute filmen darf, auch ohne sie zu fragen (jedes Kriegsbild, das Tote, Verwundete) Gefangene zeigt, wird ohne dieses Einverständnis akzeptiert – Halbtote im Krankenhaus dagegen nicht).

Michael Glawogger erklärte, daß seiner Erfahrung nach, Diskussionen über diesen Film immer wieder auf diese Punkte kämen (warum es nie darüber hinausgeht, wurde allerdings nicht thematisiert). Er wollte mit diesem Film in Wunden stoßen, Grenzen überschreiten und den Leuten im Kino wehtun.

Gelobt wurde, daß man im Film erkennen könne, wie aggressiv Zeitungswerbung funktioniere (der Kolporteur im Krankenhaus macht das seit 10 Jahren). Wenige Sätze fielen, die sich inhaltlich oder formal mit dem Film auseinandersetzten, etwa, durch was für einen einfachen dramaturgischen Trick (die Kolporteure bei ihrer Arbeit begleiten) man in ungesehene Gegenden der Großstadt gelangen kann – und dort Bilder findet, die man eigentlich nicht sehen will. „Absurde und barbarische kleine Wirklichkeiten“ tuen sich da auf, und insbesondere die Sequenz Ober die Arbeit der Kontrolleure sei eine präzise Studie über Ausbeutung.

Michael Glawogger zum Schluß: „So wie ich die letzten Jahre Festivals und den Dokumentarfilm erlebt habe, muß ich feststellen, daß ein großer Teil der Filme und der Filmemacher sich selbst in solche Schranken weist, daß wir eine Stagnation des Kunstfilms haben, wie sie nicht ärger geht: Wir brauchen die Zensur überhaupt nicht, wir machen sie uns selber.“

Zu Protokoll Nr. 7 „God News: …“ von Torsten Alisch

Von einem Protokoll erwarte ich einen Einblick in eine Diskusion, die anläßlich eines gezeigten Films stattgefunden hat. ( Für den Fall, daß ich nicht selber teilgenommen habe oder auch als Zusammenfassung.)

Es ist deshalb ärgerlich, wenn ein „Protokollant“ seinen Job dafür benutzt, die Diskusion lediglich um eigene Positionen zu verlängern, und sich nicht die Mühe gibt, Argumente und Diskusionsverläufe zu verfolgen und darzustellen. Wirklich unangenehm wird es dann, wenn er seine Position zur Diffamierung („Tränendrüsendrücker, Es mußte erklärt werden … “ der gerngebrauchte Zensurvorwurf etc.) ungeliebter oder unverstandener Beiträge mißbraucht.

Ich hoffe, daß das Protokoll Nr.7 unrühmlich Ausnahme zwischen den sonst guten und informativen Arbeiten bleibt.

Holger Braack