Protokoll
Nachdem Sabine Fröhlich in ‚Goldwitwen‘ eine heitere, ja geradezu fröhliche Stimmung ausgemacht hatte, die erstaune, da der Film sich doch mit einem deprimierenden Problem befasse, meldete ein Diskussionsteilnehmer Widerspruch an. Der Film habe ihm überhaupt nicht zugesagt. Die Kamera sei nicht eine Sekunde ruhig gewesen. Man habe die Frauen einfach erzählen lassen) ohne sich auch nur im Ansatz um die Unterschiede in ihren Aussagen zu kümmern. Da fehle jedes Konzept. Desgleichen habe er sich beispielsweise gewünscht, wenn eine Frau die Größe ihres Feldes beschreibe, dieses Feld auch zu sehen. Einspruch von mehreren Seiten: Gerade daß der Film die Aussagen der Frauen nicht selektiere) gliedere oder bebildere, mache doch die Qualität des Films aus. Von Nivellierung könne keine Rede sein. Auch an der Kamera gebe es nichts zu mäkeln. Da half der Einwurf des Kritikers, ‚er habe sein Auge an der Malerei geschult‘ nichts mehr. Es wollte sich ihm niemand anschließen. Ute Holl zur Bild-Text Relation: Da man die Interviews habe unbedingt in-der Landessprache, Sesotho, führen wollen, dieser aus dem Team aber niemand mächtig gewesen sei, sei ein direktes Reagieren auf die Aussagen mit der Kamera nicht möglich gewesen
Ausführlich diskutiert wurde die Frage, ob der Film von seinem Ansatz her das Problem dieser Frauen nicht unter einer zu engen Perspektive betrachte. Gerade wenn man die Rezeption innerhalb einer TV-Ausstrahlung bedenke, fehle der politische Kontext, ohne den dieses Phänomen schließlich nicht verständlich sei. Hier sei ein journalistischeres Arbeiten erforderlich gewesen. Ute Hell erläuterte, daß man zunächst auch mit einem umfassenderen Konzept die Arbeit begonnen habe, dann aber doch sehr schnell eingesehen habe, daß die Komplexität des Themas dies nicht zulasse. So habe man sich dann entschlossen, einen ‚Komplementärbeitrag‘ zu drehen, der natürlich Informationen über die Apartheid, die es ja auch hinreichend gebe, bei den Zuschauern voraussetze. Zudem sei der Glaube an ‚ganzheitliche Lösungen‘ auch beim Film eine Illusion. Eine Teilnehmerin hatte Probleme mit den Untertiteln, die immer in Konkurrenz zur Intensität der Bilder gestanden und die Rezeption sehr erschwert hätten. Don Edkins: Es gebe auch eine eingesprochene Version des Films, der aber der besondere Sprachduktus und die Unmittelbarkeit fehle.
Mehrfach wurden Vergleiche mit Michael Maschas Film ‚Seven Scenes of Plenty‘ angestellt. Dessen Vergehensweise und auch Kameraführung erschien einigen ruhiger, behutsamer und letztlich, was den Einblick in eine fremde Kultur betrifft, informativer. Erstaunlicherweise (oder auch nicht) sahen andere das genau umgekehrt. Konklusio: Beide Vorgehensweisen sind verschieden. Die Frage ihrer Legitimität dürfte nicht ohne Rücksicht auf die unterschiedlichen Kulturen, ihren hierarchischen Strukturen und Mentalitäten zu beantworten sein.
Don Edkins berichtete von der Vorführung des Films in Lesotho, wo es für viele die erste Begegnung mit dem Medium Film gewesen sei. (TV-Empfang ist dort nicht möglich) Die Menschen hätten den Film durchweg als Spiegel ihrer Situation aufgenommen, auch wenn bisweilen vor lauter Freude darüber, sich selbst auf der Leinwand zu sehen, der Geräuschpegel den O-Ton überdeckt habe.
Wie denn überhaupt der Kontakt des Teams, insbesondere der Männer, zu dieser reinen Frauengemeinschaft gewesen sei? Don Edkins erzählte, daß er bereits 10 Jahre in diesem Dorf gelebt habe und somit die Atmosphäre bei den Dreharbeiten fast familiär gewesen sei. Er sei von den Frauen allerdings nie als ‚Mosotho‘, als Mann ihrer Gesellschaft, angesehen worden.
Noch einmal die Frage nach einer erweiterten Perspektive. Warum habe man nicht versucht, die Männer, die doch schließlich der ‚andere Teil‘ dieses Phänomens seien, in den Film einzubeziehen? Ute Hall: Ursprünglich habe man an Weihnachten drehen wollen) wenn die Männer alljährlich nach Haus kämen. Da hätten dann aber viele Frauen vergebens auf ihre Männer gewartet. Das sei denn doch zu deprimierend gewesen. Zudem sei ihnen klar geworden, daß das Problem der Frauen ja gerade die Abwesenheit der Männer sei. Schließlich habe man auch keinen Film über das Problem der Wanderarbeit machen wollen. Ein zweiter Film, in dem man dem Problem von der anderen Seite nachgehen wolle, sei jedoch geplant. Nur sei es äußert schwierig, eine Drehgenehmigung für die Goldminen jenseits der Grenze zu erhalten.
Bis dahin wird auch die Frage einer Zuschauerin, ob die ‚Männer da denn schlecht seien‘ (es ging wohl ums ‚Moralische‘) unbeantwortet bleiben. Ute Hall sah sich jedenfalls außerstande, sich dazu zu äußern.
Gegendarstellung zum Protokoll 23
Daß der Konjunktiv und das Honorar den Protokollanten einen eigenen Raum der Kreativität eröffnet hat, ist schön, gut und bereichernd.
Um die Illusion der Objektivität zu unterstreichen, nur drei von mehr möglichen Richtigstellungen zum Protokoll von Reinhard Lüke:
– Ich habe nicht gesagt, daß ein direktes Reagieren auf die Aussagen mit der Kamera nicht möglich gewesen ist, sondern daß die Kameraführung die Gesprächssituation mit den Frauen, die in Kneipen zum Teil, und immer unter Anwesenheit von vielen Kindern etc, unter vielfältigen Störungen also stattfanden, trotz der Sprachschwierigkeiten richtig repräsentiert.
– Daß die Frauen vergeblich auf ihre Männer warteten und deshalb die Begegnungen, die ursprünglich zum Kern des Exposes gehörten, nicht stattfanden, war nicht zu deprimierend für einen Film, sondern führten schließlich dazu, daß das Konzept ganz und gar umgestellt wurde. Deshalb kam die Sequenz der wartenden Frauen nicht rein.
– Ich sah mich überhaupt nicht außerstande, auf die Frage zu antworten, ob die Männer schlecht seien, sondern ich habe darauf geantwortet, daß eine solche Frage Unsinn weil moralisch sei, und zwar von einer Moral, die nicht einmal den Frauen selber einfiele.
Dieses nur, weil die Protokolle wie die Filme von den Nuancen leben. Ansonsten mit bestem Dank an die ganze Organisation und vorallem die Protokollanten und vorallen Reinhard Lüke:
Ute Holl
Ute Holl, Don Edkins, Sabine Fröhlich v.l. © Ekko von Schwichow