Film

Georg K. Glaser – Schriftsteller und Schmied
von Harun Farocki
DE 1988 | 44 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 13
16.11.1989

Diskussion
Podium: Harun Farocki, Georg K. Glaser
Moderation: Dietrich Leder
Protokoll: Michael Kwella

Protokoll

Dietrich Leder: Bislang seien schon verschiedene Filme gelaufen, die sich mit der Frage der industriellen Produktion und der Perspektive von Arbeit beschäftigt hätten. Auch Georg Glaser würde in dem Film Entwicklungsprobleme von Arbeit beschreiben – wie schätze er denn generell die Entwicklung von Arbeit am Ende des 20. Jahrhunderts ein?

Georg Glaser: Er arbeite nun über 25 Jahre, sei bei Renault, beim Eisenbahnbau und in der Rüstungsindustrie tätig gewesen – und überall habe er miterleben können, wie durch industrielle Arbeit Menschen zerstört würden. Sein späterer Weg sei ein Laboratorium gewesen – ein Stahlwerk habe er sich zwar nicht zulegen können, aber immerhin einen kleinen Betrieb.

Arbeit sei für den größten Teil der Menschheit eine Strafe, schon in der Bibel stünde, der Mensch solle sein Brot im Schweiße seines Angesichts verdienen – und selbst während der russischen Revolution habe es geheißen, nur wer arbeite, dem stünde sein Essen zu.

Aber: Arbeit könne auch Freiheit sein, eine Lokomotive fertigzustellen könne mit großer Freude einhergehen. Oder: Das Richtfest mit seinem Schmuck auf dem Dachstuhl würde von der Freude über und den Stolz auf das Ergebnis des Schaffens der Zimmermänner künden.

Doch zur Zukunft der Arbeit im Allgemeinen, einem der brennendsten Probleme der Gegenwart könne er selbst keine Lösungsvorschläge anbieten.

Der Moderator verwies auf Bitomskys „Der VW Komplex“, der am Ende Parallelen ziehe zwischen der Geschichte des Films und der Geschichte der industriellen Großproduktion. Ob denn Farocki gleichermaßen einen Zusammenhang sähe zwischen seinem Film und der Arbeit von Georg Glaser?

Harun Farocki: In gewisser Weise ja – weil in beiden Fällen Produkte nach analogen Verfahrensweisen entstünden. Wenn er etwas filme, entstünde ein Abdruck dessen auf dem Filmmaterial – so wie ein Schlag mit dem Hammer bei Georg Glaser einen Abdruck auf dem Kupferblech hinterlasse. Es gäbe – bezogen auf Film – also nicht den Abstraktionsgrad wie bei der kommenden digitalen Bildspeicherung.

Im übrigen sei ihm die Idee zu dem Film 1982 gekommen, sofort als er Georg Glaser kennengelernt hätte. Ein Schriftsteller, der Sprache und noch ein an – Material bearbeitet – das hätte ihn fasziniert, gerade auch in der möglichen Wechselwirkung zwischen Schreiben und handwerklicher Tätigkeit.

Eine Zuschauerin wollte wissen, ob Georg Glaser ein ähnliches Gefühl von Erfolgserlebnis hätte, wenn er mit dem Schreiben fertig sei wie bei der Vollendung eines Werkstücks. 

Georg Glaser: „Ja. Vorausgesetzt es stimmt jeweils.“

Eine andere Zuschauerin zitierte Themas Bernhard, der davon gesprochen hätte, die eigentliche Schwierigkeit des Schreibens sei die, fertig zu werden; eben jenen Punkt zu finden, an dem man sagen könne „Es stimmt.“ Wie Georg Glaser das sehen würde?

Glaser: In der Tat ließe sich dieser Punkt beim Schreiben schwerer ausmachen als beim Schmieden.

Eine weitere Zuschauerin: Glaser hätte in dem Film gesagt. Gegenstände sollten so beschaffen sein, daß sie von großer Haltbarkeit wären. Ob er diese Forderung auch auf die Sprache beziehen wolle? Schließlich werde an der Sprache ja ein ständiger Raubbau getrieben.

Glaser: In der Tat – die deutsche sei die reichste Sprache der Welt und würde ständig verhunzt. Was davon noch in 200 Jahren bliebe, vermöge er jedoch nicht zu ermessen.

Ein Zuschauer rekurrierte auf die gegenläufigen Prozesse bei der Bearbeitung von Kupferblech. dem Auflösen (=Dehnen) und dem Stauchen von Material; ob dieses Wechselspiel auch für den Prozess des Schreibens gelte?

Glaser: Man sol le die Parallelen nicht übertreiben… das sei vielleicht doch zu sehr an kupfernen Haaren herbeigezogen…

Noch einmal wandte sich das Gespräch dem Problemfeld Arbeit zu: Wie könne, um der Entfremdung vorzubeugen, verhindert werden, daß jemand etwas herstelle, ein anderer es jedoch zweckentfremde?

Georg Glaser: Diese Frage sei in guten Büchern beantwortet, die deswegen nicht gelesen würden. Allerdings sähe er die Gründe für diese Auseinanderentwicklung nicht al eine im Kapitalismus und im Maschinenglauben; er würde den Scheideweg Da Letzten Jahrhundert ansiedeln, in der Aufteilung von Handwerk und Manufaktur. Letztere hätte in die Massenproduktion von Ford gemündet: Dort sei – anders als vordem- zuerst das Angebot geschaffen worden, das zur Nachfrage geführt hätte. Der frühere Weg gefalle ihm besser: in kleinen Betrieben Dinge zu schaffen, für die auch ein tatsächlicher Bedarf bestünde.

Sein eigener Versuch in diese Richtung hätte sich leicht als Don Quittage erweisen können, doch sei geglückt: Er verkaufe seine Werkstücke grundsätzlich nicht an Galerien zum anonymen Weitervertrieb, sondern nur an Privatpersonen, die er kenne. So würde er sich die Wohnzimmer von Kunden anschauen, um dann für sie etwa Lampen nach Maß zu schmieden. Und die hätten Bestand. Niemand würde einen Sextanten aus dem 18. Jahrhundert wegwerfen – und ähnlich wäre es mit seinen Lampen, die selbst noch die Rinder seiner Auftraggeber verwenden könnten.

Das sei das Grundgesetz ehrlicher Arbeit: Die Dinge müßten Bestand haben. Wie im Film gesagt: Für einen Tisch brauche man einen Baum – und der Tisch müsse solange halten, bis ein neuer Baum nachgewachsen sei.