Film

Dann werden sie schon schießen
von Thomas Riedelsheimer
DE 1989 | 60 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 13
18.11.1989

Diskussion
Podium: Thomas Riedelsheimer
Moderation: Dietrich Leder
Protokoll: Anne Schiwek

Protokoll

Zur Entstehungsgeschichte des Films:

Der Regisseur, der selbst vor sieben Jahren die Bundeswehr besuchte, wollte mit dem Film seine Erlebnisse aufarbeiten und fand als Student der Filmhochschule München schließlich die nötigen Produktionsbedingungen vor. Sehr zeitaufwendig war die Suche nach einer zentralen Person, die die Bundeswehrzeit nicht konfliktfrei erlebte. Problemloser dagegen war es, vom Verteidigungsministerium und vom Kommandanten der Luftwaffeneinheit die Drehgenehmigung zu erhalten.

Er selbst hat sich tagtäglich während der neunwöchigen Dreharbeiten bei der Kompanie aufgehalten und die Rekruten jeden Tag begleitet.

Der Film entstand bewußt mit einem offener. Konzept, er wurde begleitend gedreht. Vier Kameramänner waren im Einsatz. Einige Schnitte seien unsauber, da Videoschnitt ein Zeitproblem sei. Die verschiedenen Fassungen des 35 Stunden langen Materials wurden immer weiter ausgedünnt und schließlich ganz auf die Person von Andreas zugeschnitten. „Alte Kameraden“ lautete der Titel der ersten Fassung ursprünglich, während der aktuelle Titel das Statement eines Vorgesetzten aufgreift.

Immer wieder wurde über das Gelächter der Zuschauer während der Vorführung diskutiert. Das Lachen bleibe einem im Halse stecken, man habe aus Absurdität, aus Beklemmung und aus Erschrockenheit gelacht – so die Deutungen der Zuhörer. Die Komik des Films sei problematisch, wandte ein Zuhörer ein, denn sie laufe der Intention des Films zuwider. Das gelte besonders für die Szene, in der die Tollpatschigkeit des Rekruten demonstriert würde.

Th. Riedelsheimer: Er wolle verdeutlichen, wie merkwürdig umständlich der Befehl zum Fliegeralarm vom letzten der Kompanie ausgeführt würde und das Ganze in einer friedlichen Landschaft mit Kirchen und Kapellen. Er habe aber nicht zuletzt deshalb eine zweite Fassung geschnitten, um der Komik nicht zu breiten Raum zu geben.

Das Verteidigungsministerium hat auf der Film nie reagiert, obwohl es eine Kopie erhalten hat. Dem Kommandanten der· Kaserne allerdings hat der Film gefallen, da er die Zustände bei der Luftwaffe genau wiederspiegele.

Den hohen Grad der Authentizität lobte auch ein Zuhörer. Die Rekruten ließen sich in der Tat in drei Gruppen aufteilen: den einen sei die Ausbildung nicht hart genug, die anderen versuchten durchzukommen und zu verdrängen und die dritten verweigerten.

Th. Riedel she imer: Ihm sei während der Ausbildung aufgefallen, daß die Rekruten von Anfang an unter Druck ständen und Angst hätten, obwohl es vom Verhalten der Vorgesetzten nicht zu begründen sei. „Vieles passiert im Kopf.“

Andreas war die Identifikationsfigur des Autors. Er habe in ihn das hineinprojeziert, was er selbst nicht geschafft hätte. Seine Verweigerung sei allerdings real schon nach vier Wochen gelaufen.

Auf die Zitate aus dem Tagebuch von Andreas hätte er gerne verzichtet. er hatte aber mit Andreas Probleme in der Gesprächsführung. Andreas habe „unfilmisch“ gesprochen.

Zum Teil löste sich die Diskussion vom Film und wurde zu einer Diskussion über die Bundeswehr, wobei hier die Frage im Mittelpunkt stand: Was bewirkt die Ausbildung in den Köpfen der jungen Rekruten?

Ein Zuhörer zeigte sich „beruhigt“, denn er habe durch den Film den Eindruck gewonnen. daß Kampfbereitschaft und Gehorsamseinübung von der jungen Soldaten nicht so recht entwickelt würden.

Das sei eine gefährliche und weitverbreitete Verharmlosung der Ausbildung, wandte der Regisseur ein. zwei Sätze im Film seien für ihn von ganz entscheidender Bedeutung. Da sei einmal das Statement des Feldwebels: „Im Kriegsfall werden die Grenzen geschlossen. 90% der Rekruten sind dann da.“ Und der Satz des Rekruten: “lch werde von der Waffe keinen Gebrauch machen… ich kann ja auch vorbeischießen.“ Dieser Rekrut habe seine ursprünglich ablehnende Haltung Schritt für Schritt aufgehoben. In der Bundeswehr würden in jedem Fall Befehls- und Gehorsamsstrukturen gelegt, die sich eingraben würden.

Ein anderer Zuhörer sah in dem „Abschalten“ die größte Gefahr einer Haltung, die über die Ausbildung hinausgeht. „Nach 15 Monaten macht von denen keiner mehr den Mund auf.“

Der Regisseur ergänzte: Während der Ausbildung lege man sich eine dicke Haut zu, ein Abstumpfungsprozeß setze ein. So seien auch die vielen Schlafszenen im Unterricht zu erklären.

Ein Zuhörer fühlte sich durch die Sätze eines jungen Rekruten über die positiven Seiten des Soldatenlebens unangenehm an seinen Vater erinnert. Der habe auch immer vom in-der-Sonne-liegen erzählt und vom Mundharmonika-spielen.

Ein anderer Zuhörer: Ich bin froh, daß dieser Kelch an mir vorüberging. Der Film hat meine schlimmsten Ahnungen bestätigt.“

Zwischen dem Bayerischen Rundfunk, der im Nachspann aufgeführt wurde, und der Filmhochschule München besteht ein Kooperationsvertrag, der BR darf aber nicht als Koproduzent verstanden werden. Der· Film wird demnächst mehreren Fernsehanstalten angeboten.