Film

Maschinenträume
von Peter Krieg
DE 1988 | 87 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 12
11.11.1988

Diskussion
Podium: Peter Krieg
Moderation: Bertram Rotermund
Protokoll: Michael Kwella

Protokoll

Peter Krieg: Die Eingangsszene seines Films (in der Maschinenhalle) sei eine zentrale und vielschichtige Metapher für den Mythos Technik. Diese werde in aller Regel als etwas Rationales gesehen, während ihn das „Innere“ interessiert habe – was „uns“ reize, „uns“ mit Technik zu beschäftigen. Die Maschinenhalle sei ein (Anti-)Kirchenbau, in dem nicht alleine die Vernunft residiere; der Träumer in ihr sei umstellt von jener Technik, mit der auch „Wir“ „uns“ umgäben. Technik beinhalte 10 % Rationales – sein Film suche nach den anderen 90 %.

Die Entstehungsgeschichte gerade dieses letzten Films seiner Trilogie sei ein wichtiger Prozeß für ihn gewesen. Er habe ein 70seitiges Treatment zur Grundlage gehabt, das auf der Basis von Literatur-Recherche entstanden sei. In der Literatur sei Technik im Stil der Linken immer wieder apostrophiert worden mit „Projektion von Ängsten“, „Tendenz des Bösen“, „Vermassung“, „Entindividualisierung“ etc. Während der Vorbereitung des Films sei ihm klargeworden, daß noch etwas anderes eine Rolle spiele: z.B. das Ordnen der Psyche durch die Technik. Technik verspräche etwas (Abnahme von Arbeit) und sie schaffe Ängste (z.B. bei der ersten Lokomotive das Fressen von Zeit und Raum).

Aus diesem Widerspruch habe er die Klarheit seines Konzepts gewonnen: „Wir“ bräuchten Weltbilder. Diese würden sich auf der Grundlage der Technik verändern, was sich beispielsweise anhand unterschiedlicher Schöpfungsmythen in unterschiedlichen Kulturen nachweisen ließe. „Wir“ würden eine neue Technik jedoch erst dann bauen, wenn „wir“ ihre Wahrnehmung aushielten. So hätten die alten Griechen schon Schienen gekannt. ohne sie zu verwenden.

Peter Kriegs Ansinnen sei es gewesen, „unserem“ Technik-Bild nachzugehen. „Wir“ würden „unsere“ Bedürfnisse, Mythen etc. nicht mehr auf die Natur projizieren (Animismus), sondern auf die Dinge, die „wir“ herstellten, die „unseren“ Bedürfnissen entsprächen. Die These seines Films sei daher: Daraus resultiere eine rasante, suchtartige Entwicklung von Technik, selbst wenn sie – wie bei der Raumfahrt von einigen NASA-Fachleuten zugegeben -mittlerweile irrational geworden sei. Die Projektion von Wünschen in den Weltraum sei analog zur Popularität von Science-Fiction, auf der Ebene der Fantasie säße das Geld ungeheuer locker. Selbst schon beim Autokauf seien die Kriterien für die Entscheidung am wenigsten rational geprägt.

Von Zuschauerseite wurde verschiedentlich die stoffliche Fülle des Films kritisiert, es fielen Vokabeln wie „missionarischer Antrieb“, „Panoptikum“, „Geisterbahn“, „Sprachlastigkeit“. Peter Krieg: Er habe seinen Kommentar ausgestoppt: 12 Minuten bei einer Filmlänge von 87 Min.; aber er gäbe zu, daß viel gesprochen werde. Doch: im Spielfilm werde ja fast nur geredet. Das Interesse wachse eben, wenn man etwas für sich Neues entdecke – da würde man vielleicht schon einmal zu viel mitteilen wollen.

Kritisiert wurde (im 3. Jahr in Duisburg) ferner der Krieg-übliche Gebrauch des Pronomens „wir“, das zum Teil am eigenen Denken vorbeigehe; die NASA seien „die“ und nicht „wir“. Krieg: „Wir“ seien jedoch nicht ein Teil der Geschichte. 

Dem Film wurde angelastet, daß ihm jeder Begriff von Gesellschaft fehle, er einen biologistischen Ansatz verfolge: die Maschine scheine sich evolutionär über den Menschen wie ein Tier entwickelt zu haben. Krieg scheine lediglich die menschliche Psyche zu Aushalten der Ambivalenz von Technik ausstraffieren zu wollen, jede politische Ebene der Beeinflussbarkeit von Technik-Entwicklung fehle in seinem Denken. 

Krieg: Für ihn existierten andere politische/gesellschaftliche Betüge: WO würden sich bestimmte Ängste und Wünsche artikulieren? Der Widerspruch von Ängsten/Wünschen und Politik sei nicht auflösbar; „wir“ bräuchten Ängste und Wünsche, um „uns“ seelisch auszubalancieren. Und „wir“ müßten lernen, Ängste auszuhalten. Maschinen würden gleichzeitig Angst erzeugen und die Milderung von Ängsten anbieten – mit dieser Ambivalenz müßten „wir“ zu leben lernen, um handeln zu können. 

„Wir“ hätten gelernt, die Welt nur kausal zu sehen und das Gute vom Bösen abzuspalten; „wir“ sollten lernen, nicht linear und nicht mechanistisch zu denken – dies sei etwas Politisches, weil über eine andere Wahrnehmung von Welt Veränderungen von Politik und Gesellschaft möglich würde. 

Beeindruckt hätte ihn der Satz eines amerikanischen Gen-Technologie-Forschers: „Es ist gut, daß ich Kritiker habe.“, meint, daß ein Korriktiv da sei, das für eine gesamtgesellschaftlich positive Entwicklung sorge. 

Von verschiedenen Seiten wurde „Maschinenträume“ positiv gewürdigt; etwa hinsichtlich der programmatischen Wahl des Titels: der Film sei einem Traum gerecht geworden, da Träume niemals analytisch, sondern synthetisch seien. Der Film böte kein lineares Denken, keine Ketten, keine Netze, keine allgemeine Formeln; er habe nichts Aufklärisches, man könne nichts lernen – nur über seinen Gegenstand nachdenken. 

Von anderer Stelle wurde angesprochen, daß es zwar schwierig sei, der Anballung von Bildern und Text zu folgen, dennoch sei es ihm als Zuschauer möglich geworden, sich in den Film reinfallen zu lassen, Türen in die eigene Fantasie zu öffnen, den Film partiell zu nutzen, um Technik, Gesellschaft u.a. einmal anders zu interpretieren. Da sei viel an Nachdenken in Gang gekommen. 

Eine Zuschauerin: Sie sei von dem Film sehr aufgewühlt worden, der ihr dichte Informationen zu Zukunftsmodellen von Technik geboten habe, mit vielen aufklärerischen Momenten über das Alltagswissen hinaus – und die Umsetzung eines theoretischen Ansatzes in tolle konkrete, nicht nebulöse Bilder. Kriegs Ambivalenz-Ansatz würde sie überzeugen; gleichwohl habe der Film bei ihr Grauen ausgelöst – das Pendel habe ihrer Meinung nach bei der Ambivalenzstruktur der Technik schon zu einer Seite hin ausgeschlagen, die Räume für positive Wünsche und Handlungsmöglichkeiten sähe sie genommen – man könne nicht mehr eingreifen, sondern nur noch nach Nischen suchen. 

Peter Krieg: Jede Ambivalenz vergrößere die Unschärfe (im Heisenberg’schen Sinne). „Wir“ hätten ein Bedürfnis nach Schärfe, das unmöglich zu realisieren sei; jeder Gewinn an Erkenntnis gehe mit einem Zuwachs an Unschärfe einher – das jedoch mache Pragmatik möglich, das heißt z.B., etwas Böses zulassen zu können, obwohl man das Gute wolle. – 

Ein Zuschauer: Die Kulturgeschichte der Technik sei eine Seite – der Film eine andere. Der Film käme ihm vor wie ein kybernetisches Spielzeug, er sei das, was er darstelle. Krieg: Kino sei in der Tat eine Maschine, Film eine Seelenwaschmaschine; „Wäsche“ im Sinne einer Aufarbeitung kollektiver Konflikte. Im Kino säßen „wir“ im Trancezustand, nicht nur unser kognitives Bewußtsein werde angesprochen.