Film

Operation Ernte
von Jürgen Roth, Thomas Giefer
DE 1987 | 50 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 11
12.11.1987

Diskussion
Podium: Jürgen Roth, Thomas Giefer
Moderation: Bärbel Schröder
Protokoll: Esther Baron

Protokoll

Zu Beginn wurden allgemein die Verwunderung und Bewunderung kundgetan über die Tatsache, daß solch ein politisch brisantes Sujet wie die Vorbereitung eines Putsches so freizügig, sozusagen hautnah an den Putschisten, in allen Details gefilmt werden konnte. Die Diskussion war denn auch im folgenden von anerkennenden Sympathiekundgebungen, besonders bezüglich des aufgebrachten Muts der Filmemacher, geprägt.

Roth bestätigte, daß im Film nichts inszeniert sei, sondern es sich um die Beschreibung des authentischen Milieus handle. Alle Beteiligten spiel(t)en in der französischen Innen/Außenpolitik eine große Rolle. Günther Leinhäuser, der Protagonist des Films, ein Vertreter der Waffenhändlermittelschicht, hätte nichts vorgespielt. Seine offenherzige Informationsbereitschaft erkläre sich größtenteils durch seine stark ausgeprägte Profilneurose sowie sein unbedingtes Vertrauen in das Autorenteam und dessen wiederholte Beteuerungen, den Film nur nach Leinhäusers Voransicht zu senden. Erst gegen Ende habe er „Lunte gerochen“ und seine Empörung nach der Ausstrahlung sei dementsprechend groß gewesen. Eine dreijährige filmische Vorarbeit inklusive langjähriger Beobachtungen sowie geschicktes journalistisches Arbeiten hätten den Autoren vieles erleichtert. Thomas Giefer erläuterte, daß besonders Jürgen Roth in der Lage sei, „Situationsabhängige Geständnisse“ in geeigneten psychischen Situationen „herauszukristallisieren“.Er selbst, Giefer, hätte da eher Schwierigkeiten mit dem Überschreiten (s)einer Schamgrenze. Roth nutzte – nach eigenen Aussagen – strategisch eine der beiden Schwächen („Whiskey und junge Frauen“) Leinhäusers, nämlich den Whiskey, aus, um an bestimmte Dokumente heranzukommen. Auf diese Weise hätten beispielsweise die Originalverträge kopiert werden können.

Eine politisch/moralische Diskussion mit Leinhäuser wäre sinnlos gewesen, war dieser doch von seiner Mission als „aufrechter Demokrat“ zutiefst überzeugt, eine Diktatur in eine Demokratie umzuformen.

Den Vorwurf aus dem Publikum, mit dem Putsch Kasse machen zu wollen, entkräfteten die Autoren mit ihrer erklärten Treue zum journalistischen Ethos, d.h. der journalistischen und politischen Aufgabe, aufzuklären, politische Prozesse transparent zu machen, um die hier gezeigte Art von Politik zu erschweren. Dies erfordere sicherlich ein gewisses Maß an Komplizentum. Den Sicherheitsbehörden nahestehende Personen seien jedoch durchaus von ihnen gewarnt worden.

In diesem Zusammenhang verwiesen beide auf die Produktionsgeschichte des Films. So sei der SDR einverstanden gewesen mit dem Projekt, auf Intervention des Intendanten sei jedoch die Finanzierung verhindert worden. Der ZDF-Redakteur schließlich hätte dazu ermuntert, weiter zu drehen. Einen Monat vor der eigentlichen Ausstrahlung schließlich hätte sich das ZDF entschlossen, zu kaufen und zu senden.

Das Dilemma des Senders sei die Überlegung gewesen, bei einem erfolgreichen Putsch als öffentlich-rechtliche Sendeanstalt einerseits nicht beteiligt sein zu dürfen, andererseits beim Scheitern des Putsches als unglaubwürdig dazustehen.

Die Frage aus dem Publikum, ob das Team nicht selbst zum Spielball wirtschaftlicher und politischer Interessen geworden sei, verneinte Roth. Ein politisches Motiv hierfür sähe er nicht gegeben. Alleiniges Ziel einer derartigen Inszenierung wäre ja dann Patasses Diskreditierung gewesen. Dieser war jedoch über alles informiert.

Die Anfrage „War es ein isolierter Fall oder stand das Filmunternehmen im Kontext der Bewegungen im Milieu?“ wurde von Roth relativiert. Man sei immer Bestandteil des Milieus, in dem man sich bewege. Er verfüge durch langjähriges Filmschaffen über einige Erfahrung in dieser Einsicht.

Auf die Vertriebsmöglichkeiten angesprochen, erörterten die Filmautoren, bisher sei vom ZDF aus wenig für den internationalen Vertrieb des Films unternommen worden. Ob die ungünstige Sendezeit (Gründonnerstag, den 16.4.87,22.00h) bewußt gewählt worden sei, wagten die Autoren nicht zu beantworten. Frankreich zeige bisher aus verständlichen Gründen wenig Interesse an einer Ausstrahlung. In der Sendung „Trois de reponse“ sollten Ausschnitte gezeigt werden, die Sendereihe wurde jedoch zwei Wochen vor der geplanten Ausstrahlung gestrichen. Um die Beziehungen mit Frankreich nicht zu gefährden, sprach sich das ZDF gegen die Teilnahme des Films an der Internationalen Leipziger Dokumentarfilmwoche aus. CON vertreibt den Film und hat ihn bereits allen Sendeanstalten, bisher ohne Erfolg, angeboten. Ob diese Ablehnungen im Zusammenhang mit der allgemein um sich greifenden „Magazinitis“ zu sehen ist, konnte nicht beantwortet werden.

Es sei doch kein besonderes Ereignis, solch ein Putsch, wand ein Zuschauer ein. In Bolivien beispielsweise sei bisher 100-120 Mal geputscht worden; von Sensation könne da keine Rede mehr sein. Der hier vertretene Standpunkt sei demnach ein eurozentristischer.

Auf Unverständnis im Publikum stieß Jean Zieglers Epilog. Zieglers Statement sei, so die Autoren, Auflage des ZDF gewesen, da er als vertauenswürdig gelte.

Der Vorwurf der Vernachlässigung der oppositionellen Exilzentralafrikaner wurde von den Autoren insofern entkräftet, daß es sich um einen Film über europäische Waffenhändler und deren Geschäfte handle, nicht um einen Film über die Opposition. Dies wäre Stoff für einen anderen Film, nicht für den ihren.

So kam schließlich ein generelles Problem des Dokumentarfilms zur Sprache: Inwieweit werden Untersuchungsgegenstände von den Dokumentarfilmern ausgebeutet? Man kritisierte, der gesehene Film sei ein „Lehrstück für den Neokolonialismus“. Auch die Filmemacher seien an diesem Spiel beteiligt und: wie alle anderen am Profit aus Afrika interessiert. Dieses Argument sei doch fatal, so Roth, da immer zwei zu solch einem Spiel gehörten. Außerdem sei ihm als Journalist ein direktes Eingreifen in politische Prozesse nicht möglich. Ihnen (Roth und Giefer) müßte es vielmehr um das Aufdecken von politischen Strukturen gehen. Dieses Argument gelte im übrigen für jeden engagierten Dokumentarfilm, ergänzte Giefer. Ihm wäre es prinzipiell lieber, die Afrikaner würden einen solchen Film wie den ihren machen (können).

Ein anderer Zuschauer vermißte den moralischen Standpunkt der Filmemacher. Ihm fehle eine Position, die mehr sei als bloße Enthüllung. Roth zeigte sich enttäuscht: Wenn der Film das nicht geleistet hätte, sei er nicht verstanden worden und hätte damit seine Aufgabe verfehlt. Eine eigene–explizite Stellungnahme sei in diesem Film überflüssig. Er könne dem Zuschauer nur Dokumente anbieten. Roth schloß mit den Worten:

„Ich glaube schon, daß der Film eine einzige Parteinahme ist.“