Film

Die Seele des Geldes
von Peter Krieg
DE 1987 | 132 Min.

Screening
Duisburger Filmwoche 11
14.11.1987

Diskussion
Podium: Peter Krieg
Moderation: Bertram Rotermund
Protokoll: Ricarda Wojewski

Protokoll

Rotermund begann die Diskussion mit der Feststellung, daß die von P. Krieg dem Film zu Grunde gelegten Kategorien Schuld und Opfer verschoben dargestellt worden seien. Hinter dem Opfer verschwinde das Opfer, hinter der Schuld der Schuldige, die dahinter stehenden Interessen blieben unberücksichtigt. Es entstände ein Nebel, in dem jede Erkenntniskategorie verblasse.

Dieser Film sei ein Versuch – so P.Krieg – sich auf ganz andere Kategorien einzulassen, nicht auf Verschwörungstheorien, sondern auf psychohistorische Kategorien. Das irrationale Grundprinzip führe zur Abwehrreaktion beim Zuschauer, da die eigenen, üblichen Erklärungsmuster nicht mehr wiedererkennbar seien.

Diese üblichen Erklärungsmuster hätten bisher keine Veränderung herbeigeführt (z.B. die Wiederholung der Kriege, des Börsenkrachs). Erst jetzt, in der Krise, werde allgemein von der Irrationalität des Börsenkrachs gesprochen. „Ich glaube, wir sind im Nebel“, bemerkte P. Krieg und bezeichnete den Film als Versuch, diesen mittels der Psychohistorie zu erleuchten, im Nebel herumzustochern.

Die Psychohistorie als Herrschaftstechnik hinterfragt, sei nicht sein (P.Kriegs) Problem, sie könne Herrschaftsinstrument sein, man könne alles – auch Marx – mißbrauchen. „Oder gebrauchen“, bemerkte ein Zuschauer.

Das unkritische Übernehmen von Aussagen der Bankiers und „grauen Eminenzen“ wurde beanstandet. Pater Krieg habe sich von ihnen über den Tisch ziehen lassen, wurde behauptet. Von P.Krieg wurde dies als ein Weggucken von Beschwörungszeremonien verstanden. Er sei nicht auf der Suche nach einem Feindbild, die Frage nach der Schuld sei sekundär, es gehe um die Verstrickung, an der alle beteiligt seien. Es ginge ihm nicht ums Karikieren, vielmehr darum, unser Verhältnis zu beschreiben, daß durch Schuldgefühle gekennzeichnet sei, auch in unserer eigenen Generation. Paternalismus als Ausdruck unseres Schuldgefühls? Einige Zuschauer wehrten sich gegen diese Zuweisung des Schuldgefühls, andere fanden dies berechtigt.

Der Begriff Flächenbombardement fiel; es sei kein Stochern im Nebel, vielmehr spräche ein allwissender Vater. P. Krieg habe einen bestimmten Widerspruch der Zuschauer erwartet und habe, um diesen Widerspruch zu umgehen, dem Zuschauer keine Möglichkeit gelassen, sich auf die Menschen im Film einzulassen. Das Endprodukt Film hinterließe ihn (den Zuschauer) ratlos, der Film hätte ihn nicht nur mit einer Kugel getroffen. Dieselbe Argumentation wurde damals gegen ‚Septemberweizen‘ geführt, konterte P. Krieg. In diesem Zusammenhang fiel später die ·Bemerkung eines Zuschauers: „Wir gehen Pater (Krieg) immer auf den Leim“, die Diskussionen liefen immer gleich ab.

Das Ende des Films sei unglaubwürdig, denn es würde behauptet, daß die leidenden Menschen, um etwas zu verändern das Geld abschaffen müßten und eben dazu erst Gott, was nicht ginge. Dieser Satz sei ontologisierend, als wäre das Leiden nicht gemacht. P. Krieg würde Irrationalismen entdecken und daraus Wesensmerkmale des Menschen, anthropologische Konstanten machen.

Dem stimmte P. Krieg zu, denn die Kolonisatioren hätten das Geld nicht eingeführt, sondern die Form säkularisiert. Die Schuldgefühle gegenüber unseren Ahnen müßten periodisch aufgearbeitet werden (Wiedergeburtsrituale). Die Menschen beleidige, daß unter dem Schleier der Rationalität die Motive irrational seien (trotz Aufklärung).

Alles habe einen Anfang und ein Ende, wie P. Kriegs Film zeige, doch die Wurst habe zwei, mokierte lakonisch ein Zuschauer, um zu verdeutlichen, wie er sich durch den Film im Stich gelassen fühlte.

Bei einigen entstand der Eindruck, daß die Schuld dem Menschen in die Wiege gelegt worden sei. Es wurde ein Erbschuldknistern vermutet, die Kirche habe diese Irrationalismen doch gefördert. Wenn Geld aus Opferhaltung und Schuld entstanden sei, müsse dies nicht zu einer irrationalen Begründung der Schuld führen. P. Krieg kapituliere vor der Macht, habe den – bei gesellschaftlichen Krisen – üblichen irrationalen Fluchtweg eingeschlagen.

Dieser Ansatz, sich mit irrationalen Kategorien zu beschäftigen, sei richtig, bemerkte ein Zuschauer, doch verteidige P. Krieg diesen Ansatz wie ein Analytiker aus dem letzten Jahrhundert. Dies führe zu einer Vernebelung.

Krieg bestätigte, daß die Kirche sicherlich Schuld organisiert habe, doch organisierende Kräfte (Kirche, Regierung, Militär) seien keine Raumschiffe, sondern „wir haben ja über die Zeit die Kirche organisiert“, es seien Ausdrücke von uns selbst; er stehe in einem Konflikt mit der Schuldzuweisung.

Von anderer Seite wurde bemerkt, daß es P. Krieg schwer fallen würde, die Dinge zu trennen; er verfiele dem Fehler, unerklärliche Sachen mit Hilfe der Analyse zu beweisen, wir seien im Nebel. Unerklärliche Sachen würden nur durch die Kunst aufgearbeitet.

Der Anschuldigung, daß P. Krieg mit seinem Film Ergebnisse liefere und keine Suche darstelle, was unproduktiv sei (ergänzt wurde: P. Krieg stochere im Nebel mit der Technik der Behauptung herum), entgegnete P. Krieg, daß es keine Suche ohne Ergebnisse gäbe, die Frage nach der Lösung bliebe offen.

Zwei Ebenen des Films wurden angesprochen: Zum einen das Aufzeigen, die Analyse des Irrationalen, mit brillanten Momenten, Bilder, die jedoch unkonzentriert, beliebig aufgezählt seien; zum anderen – de quasi aufgesetzt – die Schuldfrage. Er – der Zuschauer – habe sie nicht verstanden, sie sei an ihm vorbeigerauscht.

Die Psychohistorie sei eine Möglichkeit, die langweilige Materie Geld (so ein Zuschauer), die Ökonomie zu erklären; sie verunklarte jedoch, diese Interferenz sei nicht zu Ende gedacht. Die Brillianz der Erklärung der Psychohistorie gehe zum Teil verloren, da sowohl das Anliegen aufzuklären mit dem Anliegen, einen abendfüllenden Spielfilm zu schaffen, verbunden werden sollte. Das Problem des Films sei ein ästhetisches, die Kunst des Fragens müsse entwickelt werden (dieser Mangel mache zum Teil die Krise des Dokumentarfilms aus). Spuren eines anderen Weges seien die paradigmatischen Bilder (so z.B. singt im Film ein Afrikaner aus Togo das Deutschlandlied). Es ginge nicht um die Ästhetik des Fragens, sie sei im Film implizit, entgegnete P. Krieg. Im Film ‚Septemberweizen‘ hätte er konkrete Fragen gestellt –  man fühlte sich bestätigt in der eigenen Meinung. Wenn etwas behauptet würde, käme man hingegen eher in einen Prozeß des Fragens. Daher bevorzuge er diese Form, eine Provokation.

Die Kunst des Fragens, wollte der Zuschauer, der dies in die Diskussion warf, verstanden wissen als eine Organisation eines Films, bei dem am Schluß klare Fragen übrigblieben, etwas durchlöchert sei (um bei dem Bild der Maschinenpistole zu bleiben).

Zum Schluß wurde der Film im positiven Sinn als anstößig bezeichnet, er sei provokativ, ein Film aus Frechheit.